"Steady Move Smile Move" Warum das Düsseldorfer Edel-Bordell von Bert Wollersheim auch als Kunst funktioniert

Die Düsseldorfer Künstlerin Julia Zinnbauer hat einen Film über das ehemalige Edel-Bordell "The Red Mile" von Bert Wollersheim gedreht. Sie zeigt: Da war ein kreativer Geist am Werk.

Foto: J. Zinnbauer

Düsseldorf. Julia Zinnbauer dreht Filme, fotografiert, macht Mode, performt und schreibt. In ihren Projekten widmet sie sich außergewöhnlichen Gebäuden. Sie will ihre Schönheit einfangen und vermitteln, ihre Geschichten erzählen, aber auch die der Erbauer und Bewohner. Ihr neuer Film „Steady Move Smile Move“ dreht sich nun um das einstige Edel-Bordell von Bert Wollersheim. Wir sprachen mit Julia Zinnbauer darüber, warum sie den ehemaligen Rotlicht-König als Künstler betrachtet.

Frau Zinnbauer, was reizte Sie daran, einen Film über ein einstiges Nobel-Bordell zu drehen?

Julia Zinnbauer: Als ich vor etwa zwei Jahren gehört habe, dass die drei Häuser auf der Rethelstraße, in denen sich der Puff befindet, abgerissen werden sollen, wollte ich zunächst nur ein paar Fotos von den Räumen machen. Gleich bei meinem ersten Besuch war mir allerdings klar, dass es sich bei all dem um nicht weniger als ein in sich abgeschlossenes, perfekt durchgestaltetes Gesamtkunstwerk handelte.

Was zeichnet dieses ’Gesamtkunstwerk’ denn aus?

Julia Zinnbauer: Tatsächlich verbinden sich in Wollersheims Bordell sehr viele verschiedene Kunstformen zu einer großen begehbaren Plastik, das aus unendlich vielen einzelnen Elementen besteht, die alle sinnvoll ineinander greifen. Beispielsweise sprayte der Düsseldorfer Künstler Joe Brockerhoff über die Wände mehrerer Etagen hinweg ausgesprochen phantasievolle Darstellungen sich üppig windender Körper. Dann das Möbeldesign, das weit über das Funktionale hinausgeht und eher als Environment zu betrachten ist. Die Inszenierung durch Licht spielt eine Rolle. In den Eingängen zu den drei Häusern gibt es Displays mit animierten Vorschaubildern auf die Themenzimmer, die man definitiv der Videokunst zuordnen kann.

Sie gehen in Ihrem Film aber noch weiter und sagen: Wollersheim selbst ist auch ein Kunstwerk. Inwiefern?

Foto: J. Zinnbauer

Julia Zinnbauer: Wollersheim betreibt sein Leben als eine Art Dauerperformance und inszenier es mit Hilfe von Mode, Autos und Architektur.

Im Film inszenieren Sie sich ja auch selbst. Sie tragen ein selbst entworfenes schwarzes Kleid, erkunden wie eine Flaneurin die Treppengänge, Bars, Poledance-Räume, oder Schlafzimmer der Häuser und zeigen sich auch fasziniert. Was steckt hinter diesem Konzept?

Julia Zinnbauer: Alle meine Videoarbeiten haben immer auch einen biographischen Aspekt. Sie handeln davon, dass ich fasziniert von etwas bin, mich in ein Gebäude mitsamt seiner Geschichte hineinziehen lasse und mich damit identifiziere. Das Herumlaufen und Staunen, das ständige Hoffen, etwas Schönes zu entdecken, mich begeistern und mir Geschichten erzählen zu lassen, ist neben meinen umfassenden Recherchen die Basis all meiner Arbeiten.

Sie interviewen Wollersheim auch. Wie war es für ihn, in sein einstiges Rotlicht-Imperium zurückzukehren?

Julia Zinnbauer: Wollersheim erschien ernst und melancholisch, als jemand, der stolz auf sein Lebenswerk ist und zugleich weiß, dass sich die Zeit nicht zurückdrehen lässt. Er ist bereit für Neues, lächelt und bewegt sich weiter. Darauf bezieht sich der auch der Filmtitel „Steady Smile Move“.

Das Bordell gilt aber auch als Ort des zwielichtigen Geschäfts, wo Frauen häufig unfreiwillig landen. Und Wollersheim selbst wurde wegen erpresserischen Menschenraubs verurteilt. Heroisieren Sie in Ihrem Film nicht zu sehr dieses oft unmenschliche Gewerbe?

Julia Zinnbauer: Ich bin mir der Problematik natürlich bewusst. Allerdings ist der gesamte Betrieb schon seit mehreren Jahren geschlossen, es sind Prozesse geführt worden, einige der Beteiligten sind ins Gefängnis gekommen und das gesamte Geschäftssystem ist schließlich zusammengebrochen. Ich denke, es besteht ein Unterschied dazwischen, eine Situation zu dokumentieren, in der jemand oder etwas in akuter Gefahr ist, oder im Nachhinein eine Bestandsaufnahme zu machen und etwas in einen künstlerischen und historischen Kontext einzubetten.