Zwei Frauen und der Blick auf das Ganze

Friederike Ruff und Julia Zinnbauer stellen ab Freitag in der Galerie Grölle pass: projects ihre genreübergreifende Kunst aus.

Foto: Andreas Fischer

Sie haben sich beide dem Gesamtkunstwerk verschrieben, kennen und schätzen einander seit Jahren. Nun treffen sich Friederike Ruff und Julia Zinnbauer, die beide aus süddeutschen Bundesländern stammen, in Wuppertal. In der Galerie Grölle pass: projects zeigen sie ab 22. Juni ihre Werke.

Friederike Ruff reist viel, in den letzten Jahren vor allem in den Nahen Osten und den Kaukasus, brachte von dort Eindrücke und Dinge — zuletzt Muster, Stoffe und Ornamente — mit, die sie in ihren Collagen verarbeitet. „Ich interessiere mich für Themen, suche mir die Materialien dazu. Und ich komme von der Collage. Ich zerlege Dinge und baue sie neu zusammen. Das ist auch eine Art Lebensweise“, erklärt die 1980 geborene Ruff, die in München, Stuttgart und Madrid studiert hat.

Ihre Kunst beschränkt sich nicht auf Bilder, umfasst vielmehr auch Objekte; zwei werden bei Grölle gezeigt. „Asasel“, eine etwa 50 Zentimeter hohe, auf Spiegelscherben stehende Ziegenfigur, die mit grauem Stoff umwickelt ist, auf den Ruff mit rotem Garn Schimpfworte in 30 Sprachen gestickt hat. Die Skulptur erinnert an das hebräische Ritual des Sündenbocks — eine Tradition mit hochaktuellem Bezug. Dem „Opfer“ gegenüber steht in einigen Metern Entfernung eine Kinderschaufensterpuppe, mit rotem Helm, anonym und gerüstet, und roter Montur, auf der ein weit aufgerissener Mund und Zähne zu sehen sind. „Das ist der Täter, der infantile Aggressor, deshalb die Kinderpuppe. Die Zähne sind Waffe und Symbol für Kraft.“

„Common Ground“ betitelt die in Berlin lebende Ruff ihre Ausstellung, weil „die Welt sich auf Unterschiede fokussiert, Identität durch Abgrenzung schafft. Ich suche Verbindendes: den Körper, die Fragen nach Leben, Sterben, Lieben, Entwicklung“. Konkret wird das in der 21 Collagen-Bilder umfassenden Serie „The Body is an Archive“. Jedes besteht aus einer gestickten Musterebene auf dem (meist) ein menschliches Organ zu sehen ist. Die erste Arbeit zeigt die roten Blutbahnen des menschlichen Körpers — ein Muster, das nahtlos in das eines Wandschmucks übergeht, den die Künstlerin in der spanischen Alhambra entdeckte. Den Darm, „das emotionale Gedächtnis des Körpers“, verbindet sie mit Computerplatinen, das Menschenskelett mit osteuropäischen Blumenmustern.

Sie wuchs in einem Bungalow aus den 70er Jahren auf, lernte so die moderne Architektur lieben. Die Themen der 1977 geborenen Julia Zinnbauer sind Architektur und Mode, die viel gemein haben. Nach einem Studium an der Kunstakademie in Düsseldorf, wo sie die Bildhauerklasse von Thomas Grünfeld besuchte, fand sie in Foto, Film und Sprache ihre Ausdrucksmittel. Zinnbauer sucht gezielt spektakuläre Gebäude auf. Sie zeigt meist Detail-Aufnahmen, in denen sie auch sich selbst in selbstgefertigten Kostümen inszeniert.

In Wuppertal stehen die ehemaligen Düsseldorfer Bordellräume Bert Wollersheims im Mittelpunkt. 2017 war Zinnbauer dort, versetzte sich in diese kitschig und zugleich geschäftige Welt, drehte einen anrührenden, durchaus humorig gemeinten und hintergründigen Film, machte Fotos und erwarb ein rundes Kunstledersofa, das nun bei Grölle steht. „Mich interessieren diese Paralleluniversen, die Schicksale und Geschichten, die mit den Häusern verbunden sind.“ „Steady Smile Move“ nennt Zinnbauer ihre Ausstellung in Ahnlehnung an einen entlarvenden Leitspruch, der an eine Wand zwischen Küche und Bar geschrieben stand: „Pünktlichkeit, Lächeln, Bewegung“.