Tradition Warum das Düsseldorfer Marionettentheater 1300 Mal „Wunschpunsch“ spielt
Düsseldorf · Seit 29 Jahren inszeniert das Marionettentheater um den Jahreswechsel das Michael-Ende-Stück. Und dafür gibt es gute Gründe.
Für die einen gehört der Film „Drei Nüsse für Aschenbrödel“ zu Weihnachten dazu, andere schauen jedes Jahr Silvester „Dinner for one“. Im Düsseldorfer Marionettentheater ist es Tradition, dass jedes Jahr ab Dezember „Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch“ auf dem Programm steht – seit 29 Jahren. „Da das Stück am Silvesterabend spielt, zeigen wir es immer in der Vorweihnachtszeit“, sagt Anton Bachleitner. Er ist der Künstlerische Leiter und Geschäftsführer des Düsseldorfer Marionettentheaters. Der Grund: „Das Stück funktioniert, und solange es die Leute sehen wollen, werden wir es zeigen.“ Am vergangenen Freitag wurde das Stück von Michael Ende zum 1300. Mal gezeigt.
Das Stück dreht sich um den Zauberer Beelzebub Irrwitzer und seine Tante Tyrannja Vamperl. Sie haben ihr Soll an bösen Taten nicht erfüllt und drohen zur Hölle zu fahren. Der „Hohe Rat der Tiere“ hat Verdacht geschöpft und ihnen den Kater Maurizio di Mauro und den Raben Jakob Krakel ins Haus geschickt. Um sich zu retten, brauen Irrwitzer und seine Tante gemeinsam einen Zaubertrank, um bis Mitternacht möglichst viele Katastrophen zu verursachen. Der Kater und der Rabe haben genauso viel Zeit, um diese abzuwenden. Das gelingt ihnen, in dem sie mit Hilfe von Sankt Silvester einen Ton des Mitternachtsgeläutes in den Trank mischen. Die Folge: die eigentliche Wirkung des Punsches ist aufgehoben, alle guten Wünsche von Irrwitzer und seiner Tante gehen in Erfüllung.
Das Geheimnis: Das Stück ist für alle Altersgruppen geeignet
Der „Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch“ ist ein sogenanntes „All Age“-Stück. Es funktioniert sowohl für Erwachsene als auch für Kinder, weil es für kein bestimmtes Publikum geschrieben wurde. „Michael Ende hat für das Kind im Menschen schreiben, nicht für Kinder“, sagt Bachleitner. Kinder würden die optische Ebene der Figuren wahrnehmen, für Erwachsene beinhalte das Stück einen intelligenten Humor und tiefgründigen Wortwitz. Die Geschichte spielt in der Villa Albtraum, der Gerichtsvollzieher heißt Maledictus Made und die Figur des Büchernörgele wird als Anspielung auf den Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki verstanden.
Die Themen sind noch genauso aktuell wie Anfang der neunziger Jahre. Beelzebub Irrwitzer ist die Personifikation der Wissenschaft und die durch den Menschen verursachte Zerstörung der Umwelt mit Naturkatastrophen, Seuchen und anderen Unglücken. Seine Tante ist eine Allegorie des Kapitalismus und der Ausbeutung. „Michael Ende ist aktueller, als er es zu seiner Zeit war“, sagt Bachleitner auch mit Blick auf das Buch „Momo“, in dem die „grauen Männer“ den Menschen die Zeit stehlen. Übrigens: Michael Ende hat das Marionettentheater und die Wunschpunsch-Produktion 1993 schon mal besucht.
Dazu komme die besondere Wirkung des Puppenspiels. Wenn sich eine Puppe an einen Tisch setzt, sei das ein magisches Phänomen, findet Bachleitner. „Das hat eine enorme Wirkung, weil wir so tun, als ob totes Material lebendig ist.“ Er ist sich sicher, dass da etwas tief im Inneren angesprochen werde. In den vergangenen 38 Jahren gab es immer wieder Wellen, in denen das Marionettentheater mehr oder weniger gefragt war. Im Zuge der Digitalisierung „suchen Menschen das Andere verstärkt wieder. Sie sehnen sich danach“, sagt Bachleitner.
Das Düsseldorfer Marionettentheater spielt als Repertoiretheater 21 Inszenierungen. Pro Jahr werden acht bis neun Stücke gespielt. Wenn Beelzebub Irrwitzer und seine Tante Tyrannja nicht auf der Bühne stehen, lagern sie – wie die anderen 500 Puppen – im Fundus des Theaters. „Die Puppen und die Ausstattung müssen gepflegt und gut gelagert werden“, sagt Bachleitner. Und einiges musste auch erneuert werden. Seit der Premiere trägt Tante Tyrannja bereits ihr drittes Kleid, die Schuhe mussten ausgewechselt werden und sie hatte mehrere Oberschenkelhalsbrüche. Auch das Geld wurde von D-Mark auf Euro umgestellt.
Anton Bachleitner hat immer noch Spaß an dem Stück. „Jede Vorstellung ist eine neue“, sagt er. Er wisse häufig schon nach der ersten Szene, wie es wird. „Das ist wie ein Ping-Pong-Spiel zwischen dem Publikum und den Spielern.“ Eine richtige Lieblingsstelle hat er nicht im Stück, aber „den Streit und die Gehässigkeiten mit der Tante Tyti spielen zu dürfen, ist für mich aber ein großer Spaß“, sagt Bachleitner, der den Beelzebub Irrwitzer gibt. Es sei wie eine Katharsis, die verschiedenen Gemütszustände zu spielen.
Wer jetzt den „Wunschpunsch“ (wieder) sehen möchte, muss sich etwas gedulden. Das Stück steht erst im Dezember wieder auf dem Spielplan. Es gibt aber einen Trost, denn „nach dem Wunschpunsch ist vor dem Wunschpunsch.“