Kommunalwahl Was wir in den Duellen über die OB-Kandidaten gelernt haben
Düsseldorf · Nach sechs Diskussionen in der Reihe „Jeder gegen jeden“ stellen wir die Positionen und die Unterschiede der Bewerber vor.
Die OB-Kandidaten von SPD, CDU, Grünen und FDP waren in den vergangenen Woche jeweils drei Mal in unserer Redaktion, weit über sechs Stunden haben wir Positionen und Programme diskutiert – passend zum Titel der Reihe „Jeder gegen jeden“. Dabei ging es uns nicht im Konflikte, sondern um Unterschiede in den Ideen für Düsseldorf. Zum Abschluss wollen wir die Erkenntnisse über die vier Kandidaten in einem Überblick zusammenstellen.
Thomas Geisel (SPD): Der Oberbürgermeister hat in den vergangenen sechs Jahren den Ruf erworben, häufiger mal zu Terminen zu spät zu kommen. Um so überraschender war es, dass er zu seinen drei Duellen stets zu früh erschien, zwei Mal sogar früher als der jeweils andere Kandidat. Die damit verbundene Ruhe konnte Geisel gut gebrauchen, da sich er als Amtsinhaber viel Kritik seiner Herausforderer stellen musste. Umweltspur, Tour de France, Umgang mit dem Stadtrat und städtischen Töchtern, die nicht gebauten Kilometer des Radhauptnetzes – all das warfen ihm die drei anderen Bewerber vor. Geisel fand wenig Anlass zum Selbstzweifel und argumentierte zugunsten seiner Entscheidungen. Die Umweltspur sei mit Unterstützung einer CDU-Regierungspräsidentin und einer CDU-Landesministerin beschlossen worden, um ein Dieselfahrverbot zu verhindern. Die Tour de France habe mehr als eine Million Menschen an die Strecke nach Düsseldorf gebracht, für die Verkehrswende seien die Weichen in den vergangenen Jahren endlich gestellt worden, in den kommenden Jahren würde dies auch noch stärker sichtbar.
Geisel möchte das, was in seiner Amtszeit begonnen wurde, vollenden und einige weitere Ideen verwirklichen. In der Kultur möchte er stärker auf Festivals setzen, am Flughafen Kapazitätserweiterung und besseren Schutz der Nachtruhe hinkriegen, der gelobten Bewerbung für die Fußball-EM 2024 eine passende Praxis folgen lassen und für bezahlbare Wohnungen stärker auf die Städtische Wohnungsgesellschaft setzen sowie Erfahrungen mit Milieuschutzsatzungen sammeln.
Stephan Keller (CDU): Der Stadtdirektor von Köln erschien zu allen drei Gesprächen sehr gut vorbereitet. Er präsentierte zu den Themen Zahlen in Serie, hatte die Kosten seiner Ideen durchgerechnet und wirkte bisweilen, als kenne er die Wahlkampfprogramme der anderen Parteien besser als deren Vertreter.
Die Ideen zu den Zahlen: Keller möchte den städtischen Ordnungs- und Servicedienst (OSD) gemessen an seiner jetzigen Stärke verdoppeln, um für mehr Sicherheit etwa in der Altstadt zu sorgen, er möchte einen Corona-Rettungsschirm für die Gastronomie einführen, die Umweltspur abschaffen und durch „intelligente Verkehrssteuerung“ für bessere Luftwerte sorgen.
Keller präsentierte sich als Manager und Zuhörer. Mehr Radwege zu bauen sei eine Frage des Managements, mit Blick auf die Rheinbahn müsse man schauen, wie die Aufgaben zwischen Unternehmen und Stadt verteilt sein sollten. Die Kernkompetenzen der Rheinbahn lägen im Betrieb. In zwei Gesprächen betonte Keller, dass Vereinbarkeit von Familie und Beruf für ihn auch bedeute, mehr für Menschen zu tun, die einen Angehörigen pflegen. Das Klima möchte der Christdemokrat mit nachhaltiger Mobilität, neuen Technologien und mehr Bäumen schützen. Aus Kellers Sicht ist das Ziel der Klimaneutralität bis zum Jahr 2035 zu schaffen, erfordere an der Spitze der Verwaltung aber mehr Ehrgeiz.
Stefan Engstfeld (Grüne): Der Landtagsabgeordnete hatte den Vorteil und die Last, dass „seine Themen“ zentral in diesem Wahlkampf sind. Der Vorteil: Engstfelds Positionen erscheinen oft als das Original. Die Last: Die anderen teilen die Positionen vielfach. Alle sind für Verkehrswende, insbesondere für Radverkehr, alle sind für Klimaschutz, alle sind gegen Rechtspopulismus. Engstfeld muss sich mit neuen Akzenten profilieren.
Mit Blick auf die Radwege schlug Engstfeld vor, ähnlich wie im Schulbau eine städtische Tochter zu gründen. Die „Bau Rad“ soll die Wege schaffen, das Ziel des Grünen lautet 20 Prozent der vorgesehenen 300 Kilometer pro Jahr. Im Klimaschutz setzt er auf die Verkehrswende, möchte mehr für die energetische Gebäudesanierung tun und die Potentiale für Photovoltaik heben. Außerdem erläuterte Engstfeld seine Idee der „zehn grünen Lebensadern“. Auf Vorschlag der Bürger sollen Zonen entstehen, die autofrei sind und in denen es mehr Grün gibt. In der Verwaltung soll es unter einem Oberbürgermeister Stefan Engstfeld eine grüne Bürgermeisterin sowie die Hälfte aller Spitzenpositionen für Frauen geben. Mit Blick auf die Kapazitätserweiterung des Flughafens sagte der Grüne, angesichts der durch Corona veränderten Umstände müsse es mindestens ein Moratorium von einem Jahr geben, am liebsten würde er das Vorhaben komplett stoppen.
Neben den politischen Themen zeigte Engstfeld auch für einen Grünen ungewöhnliche Seiten, als leidenschaftlicher Fortuna-Fan und als Karnevalist mit sehr großem Kostümfundus. Sein persönlicher Favorit: ein Brexit-Kostüm.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP): Die Bundestagsabgeordnete und Chefin der Düsseldorfer Liberalen war die Kandidatin mit der größen Angriffslust – und dem höchsten Unterhaltungswert. Neben Zwischenrufen und anderen Sticheleien brachte Strack-Zimmermann alle ihr wesentlichen Punkte unter. Sie betonte an verschiedenen Stellen, dass es ihr wichtig sei, die Menschen mitzunehmen. Das heißt bei der Verkehrswende auch diejenigen zu bedenken, die noch mit dem Auto als wichtigstem Verkehrsmittel sozialisiert worden sind, das heißt in der Düsseldorfer Politik das Verhältnis zwischen Stadtspitze und Stadtrat zu verbessern. Die Liberale möchte den Gewerbesteuerhebesatz für ein Jahr senken, damit die Unternehmen sich besser von den Corona-Folgen erholen können, sie kämpft gegen die Abholzung von Wald für die Airport-City II. Mit der größten Vehemenz aller Bewerber setzte sie sich für eine Verlängerung der Rheinuferpromenade ein, in der Stadtplanung möchte sie zudem einen neuen Stadtteil im Düsseldorfer Osten etablieren.
Strack-Zimmermann war auch an unserem Lieblingsmoment der Gespräche beteiligt. Am Ende der intensiven Diskussion mit Thomas Geisel baten wir beide, sich an die schönste gemeinsame Situation in den vergangenen sechs Jahren zu erinnern. Beide schwiegen lange, wirklich lange, dann sagte Strack-Zimmermann, sie sei sehr froh gewesen, dass Geisel Oberbürgermeister war, als die Flüchtlinge nach Düsseldorf kamen, und die Stadt so aufgestellt gewesen sei, dass man sich unkompliziert um die Menschen habe kümmern können. Geisels Antwort: „You made my day.“