Debatte um Standort-Schließungen hat begonnen Welche Düsseldorfer Kirchen können am Ende bleiben?

Düsseldorf · Beide Konfessionen müssen sich von Gotteshäusern verabschieden. Doch die Debatte um in Frage kommende Standorte ist schwierig.

Pfarrer Joachim Decker vor St. Michael in Lierenfeld. Er sagt: „Ich hielte es für einen fatalen Fehler, diesen Standort in den kommenden Jahren zu schließen.“

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Abschied von einer Volkskirche mit vielen Mitgliedern, sinkende Einnahmen, teure Sanierungen: Beide Kirchen stehen im laufenden Jahrzehnt vor einem tiefgreifenden Wandel. Schon jetzt steht fest: Kräfte und Aufgaben werden gebündelt, Pfarreien und Gemeinden größer und die Zahl der derzeit noch vorhandenen Kirchen wird reduziert.

Voraussichtlich bis Ende 2025 werden die Protestanten entscheiden, wie viele der 29 noch verbliebenen Kirchen erhalten bleiben können. Bis spätestens 2030 sollen die Würfel bei den Katholiken fallen. Superintendent Heinrich Fucks rechnet für die Protestanten damit, dass „am Ende zwischen zehn und 15 Kirchen übrig bleiben“. Zum Vergleich: 2000 waren es noch 50, aktuell sind es 29, 21 wurden profaniert. Auch Stadtdechant Frank Heidkamp geht davon aus, dass „wir uns von etwa 40 Prozent des Immobilienbestands verabschieden müssen“. Damit seien aber nicht zwangsläufig Kirchen gemeint, sondern der gesamte Gebäudestand, ergänzt er. Eine Prognose, wie viele der gut 60 katholischen Kirchen in Düsseldorf am Ende der 2020er-Jahre nicht mehr für Gottesdienste genutzt werden, wagt er nicht. „Die Debatten stehen in den Seelsorgebereichen ganz am Anfang“, sagt der Pfarrer von St. Lambertus.

Klar ist: Auch bei den Katholiken werden Kirchen aufgegeben, ohne Reibungen und Enttäuschungen wird das nicht funktionieren, wie Beispiele aus der Vergangenheit belegen. Dass die Schließung eines Ortes, an dem Menschen getauft wurden, später geheiratet und ihre Angehörigen betrauert haben, mit Emotionen verbunden ist, weiß Joachim Decker, Pfarrer in Lierenfeld und Eller, aus eigener Anschauung. „Am Gottesdienst in St. Michael nehmen seit der Schließung der evangelischen Lukaskirche auch einige Protestanten teil. Einigen ist der Weg zur Schlosskirche in Eller zu weit, außerdem hängen diese Christen an ihrem Viertel“, sagt der Priester.

Dass St. Michael als Kirche der Nachkriegszeit selbst ein Kandidat für eine mögliche Profanierung – so nennen Katholiken eine Kirchenaufgabe – wäre, weiß der Seelsorger. Bereits vor Jahren wurde die Reparatur des kaputten Dachs genutzt, um das Gotteshaus zu verkleinern. Gleich nach dem Krieg habe man das Ganze sehr groß gebaut, weil der Andrang in die Kirchen damals enorm gewesen sei. Zum Zeitpunkt der Sanierung sei St. Michael dann bereits überdimensioniert gewesen. Trotzdem hielte es Decker, der auch stellvertretender Stadtdechant ist, für „einen fatalen Fehler“ ausgerechnet diesen Standort aufzugeben. „St. Michael ist der einzig verbliebene geistliche Standort in Lierenfeld“, sagt der Priester. Dorthin kämen auch jene, die mit Kirche eigentlich nicht mehr viel am Hut hätten, um beispielsweise eine Kerze aufzustellen. „Es ist so etwas wie ein kleines Zentrum, ein Bezugspunkt für den Stadtteil.“

Doch wie soll angesichts solcher „No-Gos“ das Ziel, bis zu 40 Prozent des Immobilienbestandes aufzugeben, überhaupt umgesetzt werden? „Man wird vor allem über baulich angeschlagene Nachkriegskirchen nachdenken, die weniger stark frequentiert sind, sowie über Standorte, die relativ nah an jenen Kirchen liegen, die eine übergeordnete Bedeutung für den gesamten Bezirk haben“, sagt Decker. So würden sicher weder St. Gertrud in Eller noch St. Nikolaus in Himmelgeist auf Vorschlagslisten für Profanierungen auftauchen, „aber wir werden vermutlich über die Franz-von-Saleskirche am Südpark oder über St. Augustinus im Süden von Eller reden müssen“. Am Ende entschieden aber nicht Pfarrer wie er über derart weitreichende Weichenstellungen, sondern Kirchenvorstände und Kölner Generalvikariat.

Insgesamt dominiert beim Thema Standortaufgabe in beiden Konfessionen die Zurückhaltung. So verweist Pfarrer Ansgar Steinke für die Pfarreiengemeinschaft Flingern/Düsseltal darauf, dass in den vergangenen 25 Jahren mit St. Vinzenz (Flingern Süd) und St. Konrad im Märchenland bereits zwei Pfarrkirchen aufgegeben worden seien. Heute würden in dem großen Gebiet nur noch drei Pfarrkirchen (Liebfrauen, St. Paulus und St. Elisabeth) genutzt. „Eine Aufgabe weiterer Kirchen ist aktuell nicht geplant“, stellt Steinke fest.

Auch Oliver Boss, der als leitender Pfarrer einer neuen Pastoralen Einheit mit seinem Team rund 28.000 Katholiken zwischen Rath und Vennhausen betreut, stellt fest, dass sich in seinem Sprengel Fragen nach aufzugebenden Standorten derzeit noch nicht stellten. „Alle zehn Kirchen in unserer Einheit werden nach wie vor als Gotteshäuser genutzt“, betont er. Auch die Rheinbogen-Gemeinde sowie St. Antonius und Benediktus im Linksrheinischen machen keine Angaben zu möglichen Profanierungen.

Heinrich Fucks, der einen Prozess zur Bildung einer evangelischen Großgemeinde für ganz Düsseldorf mitinitiiert hat, geht von komplexen Abstimmungsprozessen aus. Das Ziel, möglichst bis Ende kommenden Jahres konkrete Standorte zu identifizieren, sei ambitioniert. „Wir werden das gemeinsam mit allen, die am Zukunftsprozess beteiligt sind, bis Ende 2025 entscheiden“, sagte er zuletzt bei der Präsentation des Pilotprojekts.

(jj)