Düsseldorf - neue Mieter sollen oft einen horrenden Abstand für alte Möbel zahlen Wenn Vormieter abkassieren wollen
Auf dem umkämpften Wohnungsmarkt sollen neue Mieter oft einen horrenden Abstand für alte Möbel zahlen — sonst erhält der Vermieter ihre Daten erst gar nicht.
Düsseldorf. Als Gesa Thelen bei der Wohnungsbesichtigung in der Küche steht, fällt sie vom Glauben ab. Die alte Küche ist exakt die gleiche, die sie vor zwei Jahren selbst für 300 Euro bei einem Möbelhaus erstanden hat. Doch hier soll sie für die Zeile 1200 Euro Abstand auf den Tisch legen. „Spülmaschine und Kühlschrank wollten die beiden mitnehmen, lediglich den Herd, bei dem nur noch zwei Platten funktionierten, wollten sie für den Preis da lassen.“ Die Studentin winkt ab — und bekommt die Wohnung nicht. Kein Einzelfall. Auf dem umkämpften Markt spielen sich Vormieter bisweilen als schlechtere Makler auf und verlangen horrende Summen, um die Daten an den Vermieter weiterzugeben.
Gesa Thelen ist das nicht zum ersten Mal passiert. In einer Wohnung sollte sie eine über zehn Jahre alte Küche abkaufen, die so über Eck gebaut war, dass eine Tür und eine Schublade überhaupt nicht zu öffnen waren — für 1400 Euro. Bei einer anderen Besichtigung hatte der Vormieter schon einen Vertrag aufgesetzt, in dem sich die Interessenten verpflichten sollten, Küche, Lampen, Duschwand und Türriegel für 2200 Euro zu übernehmen, wenn sie die Wohnung bekämen. In einem anderen Fall fuhr die Studentin aus Hamm in Westfalen extra nach Düsseldorf, um einen schäbigen Schrank zu begutachten, von dem es kein Bild zum Versenden gab, den sie aber für 400 Euro hätte übernehmen müssen, um die Wohnung zu bekommen.
„Das Beste, was ich in einer Anzeige gelesen habe, war jemand, der zur Voraussetzung gemacht hat, dass man seinen Internetvertrag übernimmt.“ Die 31-Jährige schüttelt den Kopf. „Aber es gibt anscheinend Menschen, die so verzweifelt sind, dass sie bereit sind, diese unverschämten Summen zu bezahlen und Möbel zu übernehmen, die sie gar nicht wollen.“
Fast wäre Karl Albert schon so weit. Seit Monaten sind der 34-Jährige und seine Lebensgefährtin auf Suche, weil sie aus Erkrath nach Düsseldorf ziehen wollen. „Wir schreiben pro Woche drei bis vier Makler, Vermieter und Vormieter an. Wenn wir Glück haben, bekommen wir eine Antwort — die ist in 90 Prozent der Fälle eine Absage“, berichtet er. Trotzdem wollte er eine „wirklich abgerockte“ sechs Jahre alte Ikea-Küche nicht für 2500 Euro übernehmen — nur eines von zahlreichen Beispielen, die er erlebt hat.
Wenig überraschend sind solche Schilderungen für Jörg Schnorrenberger vom Ring Deutscher Makler: „Wir haben bei der Einführung des Bestellerprinzips schon gesagt, dass sich in Zukunft viele ihre Ikea-Küche vergolden lassen werden.“ Durch das neue Prinzip muss derjenige für die Maklerprovision zahlen, der ihn anheuert — in der Regel der Vermieter. Also lässt der nunmehr in vielen Fällen den scheidenden Mieter für sich arbeiten — und ihn im Gegenzug frei walten. „Dem Vermieter ist das alles ja egal. Er achtet nur auf die Bonität des neuen Mieters“, so Schnorrenberger. Und die Wohnungssuchenden? „Die werden abgezockt.“
Rechtens ist das allerdings nicht immer, erklärt Michaelo Damerow vom Düsseldorfer Mieterverein. „Die verlangte Summe darf nicht im krassen Missverhältnis zum Wert stehen.“ Und zwar dürfe nicht mehr als das Doppelte des tatsächlichen Zeitwertes für die Möbel verlangt werden. Das Problem: Wenn die Suchenden sich weigern, bekommen sie eben gar nicht erst den Kontakt zum Vermieter. Laut Damerow könnten sie aber erst in den Kauf einwilligen, sich eine Quittung geben lassen und das gezahlte Geld dann später zurückfordern.
Was da auf dem Wohnungsmarkt gerade passiert, ist laut Schnorrenberger „nur die Spitze des Eisbergs“. „Wir brauchen einfach viel, viel mehr Wohnungen“, sagt er. „Jahrelang ist nicht gebaut worden, jahrelang sind die Augen zugemacht worden — das rächt sich jetzt.“ Jeder zweite Haushalt in Düsseldorf hätte Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein — aber ausgerechnet in diesem Segment sei das Angebot winzig.
Karl Albert helfen solche Forderungen einstweilen nicht viel. Er tingelt weiter von unerfreulicher Besichtigung zu Absage. Gesa Thelen indes hat nach vielen Monaten endlich Glück gehabt: Sie hat eine Wohnung gefunden. Erstbezug nach Sanierung. Keine Möbel, die sie übernehmen muss.