Wie Blinde übers Gehör Fußballspielen
Beim Finale der Deutschen Meisterschaft auf dem Burgplatz beeindruckten die Spieler.
„Sind alle Spieler bereit für die Eyepad-Kontrolle?“ Verdutzt guckt, wer zum ersten Mal ein Blindenfußballspiel besucht und diese Worte beim Endspiel um die Deutsche Meisterschaft auf dem Burgplatz aus dem Lautsprecher ertönen. Denn Augenschutz-Plaster sind Pflicht für die Spieler. Zudem trägt jeder Spieler eine Dunkelbrille. Da nicht alle gleich wenig sehen — nur Nationalspieler müssen vollblind sein — schafft das gleiche Voraussetzungen. Dann geht es los, und sehr schnell ist man als Zuschauer geneigt, zu vergessen, dass hier Sportler über den Platz rennen, die ihre Mitspieler, Gegner, Markierungen und Tore nicht sehen können.
Wäre da nicht das Rasselgeräusch, der Kopfschutz, den alle Spieler tragen und die ständigen laute Rufe aller Beteiligten. Das Geräusch macht der Ball, wenn er über das Spielfeld rollt, das mit 40 mal 20 Meter kleiner als beim Sehenden-Fußball ist und über Banden verfügt.
Am meisten wird „Voy“ gerufen. Das ist spanisch und heißt: ich komme. Und wehe, ein angreifender Spieler, der sich in Ballnähe begibt, ruft es nicht rechtzeitig. „1. Team-Faul für zu späten Voy-Ruf“ hallt es auch schon durch den Lautsprecher. Auch die Dribbeltechnik fällt sofort ins Auge. „Man läuft wie ein Pinguin, damit der Ball innen am Fuß bleibt“, erklärt Eyup Ckiciler (26), Spieler beim SF BG Blista Marburg, der heute hier gegen FC Schalke 04 um den dritten Platz spielt.
Hochanspruchsvolles Multitasking ist für jeden Spieler angesagt: Während er dribbelt und den Ball kontrolliert, muss er hören, wo seine Mitspieler sind, wo das andere Tor ist und mitteilen, was er machen möchte. Und hier kommen die Rufer oder Guides ins Spiel, von denen jeweils einer hinter den Toren steht. „Los, los los“ und „Tami anbieten“ gibt Guide Andrea Calaciura den Stürmern Anweisungen. Sie markiert das Ziel, wie weit das Tor entfernt ist oder wie die Abwehr steht.
Neben den Guides sind auch die zwei Schiedsrichter sowie die Torwarte, die ihre Abwehr verbal dirigieren, sehend. Zwei Schiedsrichter daher, weil sie unter anderem kontrollieren müssen, ob die Rufansagen rechtzeitig kommen. „Beide Mannschaften die Rufer-Zonen einhalten!“ ertönt die Durchsage aus dem Lautsprecher.
Eyup Ckiciler (26) war sechs, als er immer schlechter sah. Nach der Ausbildung als Beikoch ging es dann rapide bergab mit dem Sehvermögen. „Im Fitnessstudio wurde ich gefragt, ob ich nicht Lust auf Blindenfußball hätte“, erzählt der Blindenfußballer. „Ich konnte mir das anfangs gar nicht vorstellen, wie das gehen soll. Das war eine völlig neue Erfahrung als Blinder.“ Dann nahm er am Training teil und war Feuer und Flamme. „Beim Blindenfußball muss man Orientierung mitbringen: wo stehe ich und wo gucke ich hin?“, sagt der Marburger.
Moritz und Tim sind durch Zufall auf der Zuschauertribüne gelandet. Und schauen sich fasziniert das Spiel an. Moritz, selbst Handballer: „Bis auf die WM interessiere ich mich sonst nicht besonders für Fußball, aber hier zuzusehen, finde ich sehr interessant und spannend. Wie die sehbehinderten Spieler das von der Koordination her machen und wie alle in Richtung des Balls schauen, finde ich faszinierend.“ „Die spielen ja mit VR-Brille“, entfährt es einem Passanten. „Ist ja krass, die Spieler sind blind“ einem anderen.
Bislang gibt es in Düsseldorf keinen Verein, der Blindenfußball anbietet. „Das könnte eine Vision für die Stadt sein“, sagt Nico Kempf, Projektleiter der Fußball-Bundesliga.
Neben den spannenden Fußballspielen gab es viele Aktionen für Besucher, die etwa selbst ausprobieren konnten, wie es ist, mit einer Dunkelbrille zu kicken.