Theaterpädagoge: Der vielseitige Vermittler
Thiemo Hackel ist Theaterpädagoge am Düsseldorfer Schauspielhaus. Wir haben ihn als Abschluss unserer Theater-Menschen-Serie bei einem Workshop an einem Gymnasium begleitet.
Düsseldorf. Manchmal braucht es Hilfe, einen kleinen Anstoß, einen Hinweis, einen Schlüssel, um Theater für sich zu entdecken. Um es als ein Spiegel eigener Erfahrungen wahrnehmen und wertvolle Impulse für das alltägliche Leben mitnehmen zu können. Um Aspekte eines Stückes, einer Inszenierung zu entdecken, die vielleicht erst mit Anleitung erfahrbar werden. Dies gilt sowohl für kleine, als auch große Theaterbesucher oder die es noch werden wollen. Manchmal erschließt sich Sprechtheater recht schnell, von selbst, manchmal ist es weniger zugänglich und bedarf behutsamer Heranführung.
Theaterpädagogen, wie Thiemo Hackel am Schauspielhaus Düsseldorf, sind dabei immer zur Stelle, um für die jeweilige Situation das richtige Rezept zur Hand zu haben, um die Antwort auf die Frage gemeinsam mit dem Publikum zu erarbeiten: „Was hat das mit uns zu tun — heute?“, wie Hackel es so treffend beschreibt. Doch machen Theaterpädagogen noch viel mehr, erklären Abläufe am Theater, führen hinter die Kulissen, organisieren Projekte auch jenseits des Theateralltags. „Das Tolle ist, es gibt keinen Normalfall bei uns. Als Theaterpädagoge ist kein Tag wie der andere“, sagt der 1986 in Hannover geborene Vermittler.
Mal gibt es Führungen, mal Sitzungen mit den Kollegen, um die Projekte zu planen, Konferenzen und Jugendclub-Proben, etwa. Und natürlich Workshops. Wie das aussieht und was Hackel bei seiner Arbeit bewegt, wollten wir in unserer Serie Theater-Menschen genauer ansehen und haben ihn bei einem Workshop am Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasium begleitet.
Und an diesem Tag dreht sich bei seiner Arbeit alles um Dirk Lauckes „Die größte Gemeinheit der Welt“ und wie man dieses Theaterstück Schülern auf kreative Weise näher bringen kann: als Vorbereitung für einen Theaterbesuch. Später am Abend wird Hackel auch noch ins Central gehen, um eine Einführung für eine Oberstufenklasse zu „Michael Kohlhaas“ abzuhalten. Doch zunächst geht es in den Klassenraum, wo die Schüler schon neugierig auf das warten, was gleich wohl denn alles passieren wird.
Ist das Stück zwar explizit für ein junges Publikum geschaffen, so geht es auch hier darum, den jungen Menschen die Aspekte der dort aufgeworfenen Fragen möglichst aus ihrer eigenen Warte heraus interessant aufzuarbeiten.
Dabei setzt Hackel auf verschiedene Methoden. Behutsam führt er die Klasse an das Stück heran. Nach einer Aufwärmübung mit Bewegung und Regieanweisungen folgen Interviews, die die Jugendlichen miteinander führen. In Zweiergruppen stellen sie sich Fragen, die sich um ihr Leben drehen, um ihre Sicht auf ihr Leben. Auch ernste Themen, die in dem Stück besprochen werden, spielen hier schon eine Rolle. Hackel ist immer zur Stelle, leitet an, erklärt, lässt die Kinder aber frei walten, zwischen Ordnung und kreativem Chaos.
Unversehens ist der Kern des Stückes deutlich vor Augen. Kleine Szenen werden von den Kindern erarbeitet und dann vor der gesamten Klasse aufgeführt. Erstaunlich zu sehen, wie sich die jungen Menschen unter seiner Anleitung entfalten, jeder auf seine Art.
Thiemo Hackel studierte Darstellendes Spiel und Kunst in Aktion am Institut für Performative Künste und Bildung sowie Kunstwissenschaften an der HBK Braunschweig. Er hat selbst auch als Schauspieler gearbeitet, das spürt man deutlich. Er kommt mitten aus der gelebten Praxis. Wieso er Theaterpädagoge geworden sei? „Ich hatte auch darüber nachgedacht, in Richtung Sonderpädagogik zu gehen, dann war aber Theaterpädagogik doch das, was ich für mich spannender fand, weil ich da mit so vielen unterschiedlichen Menschen zu tun habe“, sagt er uns. Dabei gebe es bei den Gruppendynamiken eigentlich keine Unterschiede, erläutert er. Es sei ähnlich, ob es jetzt eine achte, neunte, zehnte Klasse oder auch Erwachsenengruppe sei. „Was ich merke: Kinder sind noch viel offener und noch nicht so eingefahren wie Erwachsene. Kinder sind viel aufmerksamere Beobachter“, sagt Hackel.
Doch gibt es auch immer wieder weniger einfach zugängliche Stücke zu vermitteln. „Warum erzählen wir so ‚alte Schinken’ noch? Weil sie Themen behandeln, die immer noch aktuell sind. Man muss sie nur in anderen Kontext setzen oder mit anderen Bezügen erzählen“, erklärt Hackel in einer Pause. Die großen Probleme, die Schiller, Shakespeare oder Goethe behandelt haben, die gebe es immer noch, sagt er und ergänzt: „Mir geht es immer darum, die Themen zu behandeln und nicht um die Literaturanalyse. Bei dem Faust, zum Beispiel, frage ich, was hat das mit uns zu tun. Das ist in meiner Schulzeit zu wenig passiert.“ Wie Recht er hat.