Politik Wie der CDU-Kandidat das OB-Rennen verändert
Die Nominierung des früheren Dezernenten Stephan Keller hilft seiner Partei und der Linken. Für mindestens zwei Bewerber bedeutet sie dagegen eine schlechte Nachricht.
Die Wahl des Oberbürgermeisters im September galt auch schon vor Donnerstag als spannend. Aber seit unsere Redaktion berichtet hat, dass der frühere Düsseldorfer Ordnungsdezernent und derzeitige Kölner Stadtdirektor Stephan Keller für die CDU antritt, hat diese Spannung noch einmal eine neue Dimension erreicht. Wie die jüngste Nominierung das OB-Rennen verändert, zeigt unsere Analyse:
CDU: Bei den Düsseldorfer Christdemokraten gibt es eine Menge Lager und Grüppchen. Einen guten Überblick darüber hätte man bekommen, wenn die CDU einen Kandidaten unmittelbar aus ihren Reihen nominiert hätte. In den vergangenen Monaten waren viele Namen von möglichen Bewerbern zu hören, die im Stadtrat oder Landtag sitzen – in der Regel von denen, die wollten, dass der Name dadurch verheizt wird. Das gilt für Stephan Keller nicht. Als Dezernent hat er es sich mit keiner Gruppe thematisch verscherzt, für menschliche Differenzen war er bisher weit genug vom Parteigeschehen entfernt. Und so dürfte er die CDU so gut wie vollzählig hinter sich vereinen. Auch weil viele Mitglieder den sicheren Instinkt besitzen, einen potentiellen Sieger zu erkennen und es sich mit ihm vorsichtshalber nicht verderben wollen.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Was die Christdemokraten freut, dürfte die FDP-Chefin und -Kandidatin ärgern. Ein schwacher CDU-Kandidat, der auch im eigenen Lager nicht von allen unterstützt worden wäre, war das, was Marie-Agnes Strack-Zimmermann brauchte, um die ganz große Überraschung zu schaffen. Die Liberale ist so bekannt und geschätzt, dass sie 15 bis 20 Prozent der Stimmen holen kann. Mehr wären aber nur drin gewesen, wenn ein Teil des CDU-Lagers sie für die bessere Verfechterin bürgerlicher Positionen gehalten hätte. Dies erscheint angesichts der Persönlichkeit und der Themen Kellers unwahrscheinlich. Die fleißig hervorgekramten Vorwürfe Strack-Zimmermanns gegen den neuen Kandidaten (Reduzierung der Gaslaternen, Pläne für ein Alkoholverbot) sind nicht Gegenargument, sondern Beleg dieser These.
Thomas Geisel: Auf den ersten Blick gibt es viele Gemeinsamkeiten zwischen dem Amtsinhaber und seinem CDU-Herausforderer. Thomas Geisel und Stephan Keller sind ähnlich alt, beides Familienväter, beides deutliche Vertreter ihrer Werte, beides Großstadtmenschen, beides Männer mit Erklärungsbedarf: Geisel aufgrund seiner schwäbischen Herkunft, Keller, weil er 2016 Düsseldorf für einen Job in Köln verlassen hat. Der entscheidende Unterschied wird auf den zweiten Blick deutlich: der Regierungsstil. Gäbe es im Düsseldorfer Rathaus eine Struktur wie im politischen Berlin, dann wäre Geisel Kanzler, Außen- und Innenminister zugleich und Keller wäre Bundespräsident. Auf die unbremsbare Dynamik Geisels trifft der besonnene, verlässliche, rationale Keller. Das könnte unter anderem bei den rund 10 000 Mitarbeitern der Verwaltung und dem dazugehörigen Umfeld einige Pluspunkte für Keller bringen. Geisel wird dagegen bei vielen Wählern den Vorteil besitzen, dass sein Name der einzige auf dem Stimmzettel ist, den sie kennen.
Stefan Engstfeld: Für den Bewerber der Grünen ändert sich durch die Nominierung Kellers wenig. Ein stramm konservativer Kandidat hätte es Stefan Engstfeld sicher leichter gemacht, sich zu positionieren. Aber um seine Wählerschaft muss der 50-Jährige dennoch kaum fürchten. Dass Keller gerne Rad fährt und für CDU-Verhältnisse einen relativ modernen Eindruck macht, wird sich in diesem Zusammenhang nicht nennenswert auswirken. Wähler, für die Klimaschutz oder eine Verkehrspolitik jenseits des Autos entscheidend ist, nehmen im Zweifel das Original – und das ist der Grüne. Komplizierter wird die Situation für Engstfeld, wenn er es in die Stichwahl schafft. Im Duell mit Geisel wäre er der Andere, der Neue und einer, der auch im bürgerlichen Lager punkten könnte. Diese Vorteile wären dahin, wenn die Entscheidung zwischen ihm und Keller fällt. Ein markanter Unterschied wäre dann, dass Engstfeld für Themen, die die Wähler emotional berühren, eher Verständnis haben könnte. Die aufgeheizte Debatte um das Altstadtpflaster hat Keller als zuständiger Dezernent staunend bis fassungslos erlebt, weil er sie nach seinen streng rationalen Maßstäben nicht einsortieren konnte.
Die Linke: Noch steht nicht fest, wer für die Linkspartei ins Rennen geht, sie oder er kann sich aber über die Nominierung von Keller freuen. Als Dezernent war er Chef des Ordnungs- und Servicedienstes, den die Linke ohne erkennbare Ermüdungserscheinungen Jahr für Jahr abzuschaffen versucht. Keller ist damit ein leicht vermittelbares Symbol für das, was die Linke ablehnt. Diese Polarisierung wird dafür sorgen, dass der Linke-Kandidat das Maximum seines Stimmenpotentials abruft. Dazu werden auch eine ganze Reihe von Wählern zählen, die sich unter anderen Umständen für Geisel oder Engstfeld entschieden hätten.
Fazit: Stephan Keller ist für zwei Kandidaten im OB-Rennen eine schlechte Nachricht: Für Marie-Agnes Strack-Zimmermann, bei der es nun schwer vorstellbar ist, wie sie aus dem bürgerlichen Lager so viele Stimmen holen soll, dass sie im ersten Wahlgang mindestens auf Platz zwei landet. Und für Thomas Geisel oder Stefan Engstfeld. Bei einem schwachen, weil umstrittenen CDU-Kandidaten hätten beide es in die Stichwahl schaffen können. Dies scheint nun, auch angesichts der beschriebenen Vorteile für die Linke, unwahrscheinlich.
Stephan Keller wird mit großer Sicherheit im zweiten Wahlgang noch dabei sein. Dort werden Kleinigkeiten oder Stimmungen, die aus der aktuellen Nachrichtenlage folgen, den Ausschlag geben.