Wie viel Luxus verträgt die Altstadt?
Experten warnen vor Konflikten zwischen Anwohnern des Andreas-Quartiers und dem Treiben auf der Ratinger Straße.
Düsseldorf. Die Altstadt entwickelt an zentraler Stelle einen völlig neuen Charakter. Das Luxushotel De Medici an der Mühlenstraße mit Brasserie für anspruchsvolle Kunden ist schon da. Gegenüber siedelt sich Ende des Jahres im ehemaligen Amts- und Landgerichts ebenfalls hochwertige Gastronomie an. Hinzu kommen bis rüber zur Ratinger Straße Luxuswohnungen im Andreas-Quartier. Bis zu 16 000 Euro pro Quadratmeter sind da schon bezahlt worden. Ähnliche Verhältnisse herrschen im ehemaligen Theresienhospital am Rheinufer.
Hinzu kommt, dass die Politik die Mühlenstraße verkehrsberuhigen will. Sie soll eine Art Fußgängerzone werden. Im Sommer soll das Konzept stehen.
Doch wie passt ein Viertel für überwiegend Wohlhabende an die längste Theke der Welt? Immer mehr Experten beantworten diese Frage wenig hoffnungsfroh. Sie fürchten den Konflikt zwischen Anwohnern und vor allem dem Treiben auf der Ratinger Straße.
Kritik gibt es etwa vom Ring Deutscher Makler. Schatzmeister Klaus Rodenkirchen wohnt selbst in der Altstadt und spricht von einem „massiven Eingriff“ in die gewachsene Struktur des Viertels. „Das wird zu Spannungen führen“, sagt er voraus. Die Gefahr sei riesengroß, dass die Ratinger Straße als belebte Gastronomiemeile „wegkippe“. Auch wenn die Wohnungen nicht direkt gegenüber der Kneipen lägen, der Schall werde natürlich zu ihnen hingetragen. Auch von den Büronutzern fürchtet er Beschwerden.
Zudem hätte er sich mehr Gastronomie an der Front zur Ratinger Straße gewünscht. „Aber darüber lassen sich natürlich keine teuren Wohnungen realisieren, das ist weniger lukrativ für den Investor.“
Ärger drohe auch, weil vielen Anwohnern — die viel Geld für Wohnung und auch Stellplatz gezahlt hätten — durch die vielen Menschen auf der Straße zum Teil der Weg fürs Auto abgeschnitten werde.
Mit großer Sorge sieht das Ganze auch der Ordnungsausschussvorsitzende Manfred Volkenrath (SPD). Während er über die neue Mühlenstraße ins Schwärmen gerät, sieht er die Entwicklung der Ratinger Straße skeptisch. Schon heute führe er Gespräche mit alteingesessenen Anwohnern, die ihre Toleranzgrenze erreicht hätten. „Was passiert dann erst bei einer Klientel, die oft einen guten Draht zu Anwälten und ja auch ein Recht auf Ruhe hat?“ Es müsse nun unter allen Umständen verhindert werden, dass sich da „etwas Unangenehmes zusammenbraut“. Eine offene Ansprache an die künftigen Bewohner sei wichtig.
Neben Immobilienbranche und Politik kommt auch Kritik aus der Wissenschaft. Der Düsseldorfer Soziologe und Stadtforscher Reinhold Knopp von der Fachhochschule sagt: „Wer eine Ballung von Luxuswohnungen mitten im Herzen der Altstadt zulässt, muss sich auch mit den Konsequenzen auseinandersetzen und das werden sicherlich auch Nachbarschaftskonflikte sein, insbesondere hin zur Ratinger Straße.“
Und gerade die sei etwa für eine Altstadt jenseits der Bolkerstraße, wo sich „unterschiedliche soziale Schichten, Lebensstile und Szenen vereinen“ und die wichtiger Nährboden für Kunst- und Musikszene war. Knopp fürchtet sogar, dass sich ein „Aufwertungsdruck“ auch über weitere Teile der Altstadt bis hin zum Carlsplatz ausbreiten könnte.
So weit geht sein Kollege Volker Eichener nicht. „Die Baustruktur der Altstadt gibt vor, dass es weiter eine extreme Heterogenität der Bevölkerung geben wird.“ Vom Kellner in der Dachkammer bis zum Yuppie am Rheinufer. Eichener ist Gründungsrektor des privaten Europäischen Bildungszentrums der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft und bald wieder Professor an der FH. Im Jahr 2002 hatte er als solcher eine Befragung der Altstadtbewohner vorgenommen und nicht nur starke soziale Unterschiede festgestellt, sondern auch, dass diese Durchmischung von den Bewohnern sehr geschätzt wird. Und die sei auch mit dem Andreas-Quartier nicht gefährdet. „Diese punktuelle Aufwertung könnte eine ausgleichende Kraft zum Ballermann-Effekt auf der Bolkerstraße darstellen.“
Dennoch sieht auch Eichener an der Ratinger Straße eine problematische Konstellation. „Schlimmstenfalls könnte es dort zu Sperrstunden kommen.“ Das empfiehlt er der Stadt aber nicht: „Da muss sie den Anwohnern gegenüber hart bleiben.“ Zu einem urbanen Leben, das die neuen Altstadtbewohner ja offenbar suchten, gehöre eben auch Geräuschbelästigung.