„Wind of change“ im Rathaus

Am Donnerstag trifft sich der Stadtrat zur ersten Sitzung seit Erwins Tod. Vieles hat sich geändert.

Düsseldorf. Mit "Wind of change" feierten die Scorpions 1991 das Ende des Kalten Krieges. Im Rathaus soll die Ballade zuletzt öfter gehört worden sein, gepfiffen von gut gelaunten Mitarbeitern.

Das freilich ist nur ein Gerücht. Tatsache ist, dass sich hinter den Kulissen seit dem Tod von Joachim Erwin vieles verändert hat.

Der hatte in der Verwaltung ein hartes, bisweilen überhartes Regiment geführt. Jetzt wird vielerseits aufgeatmet. Was sich seit dem Tod des Oberbürgermeisters geändert hat:

Selbst die Beigeordneten, die in etwa die Rolle eines Ministers ausfüllen, haben regelmäßig ihr Fett wegbekommen. In der Verwaltungskonferenz, in der dienstags OB und Dezernenten zusammenkommen, sollen angeblich schon Tränen geflossen sein, wenn Erwin austeilte. "Wer ist heute wohl dran?", sollen sich Teilnehmer der Runde vor Sitzungsbeginn gefragt haben.

Tipp unter Kollegen: "Sieh zu, dass du dienstags nicht in der Zeitung stehst" - frei nach dem Motto: Wer sich nicht exponiert, stiehlt dem Chef nicht das Licht.

Diese Zeiten sind vorbei. Als ein Dezernent neulich im Hauptausschuss eine Frage nicht beantworten konnte, passierte - absolut rein gar nichts. Früher hätte es dafür eine Watsche vom OB gegeben.

Jetzt führte Bürgermeister Dirk Elbers als Stellvertreter elegant über den Fauxpas hinweg: "Wird nachgereicht."

Öffentlich geredet wird über den Wandel hinter den Kulissen nicht. Erwins Tod ist noch nicht lange genug her.

In der Ratssitzung am Donnerstag, der ersten seit der Beerdigung, will man auch politischen Streit aus Gründen der Pietät vermeiden. Es wird wohl weder Anfragen noch Anträge geben. Die Sitzung soll zügig und geräuschlos ablaufen.

Ebenso geräuschlos sind personelle Veränderungen beschlossen worden. Sie betreffen vor allem Erwins Büro. Das ist im Laufe der Jahre im Kern auf rund 50 Mitarbeiter angewachsen.

Mit ihrer Hilfe - so heißt es - habe Erwin die Verwaltung kontrolliert. Vorbei. Die Mitarbeiter wurden den Dezernaten zugeordnet.

"Ich brauche keine Kontrolleure", sagt dazu Stadtdirektor Helmut Rattenhuber, der derzeit die Verwaltung führt.

Einige Erwin-Vertraute sind auch schon gezielt entmachtet worden. Allen voran Christina Begale, Erwins Büro-Leiterin. Zu den wichtigen Runden wird sie längst nicht mehr eingeladen.

Frank Buchwald, neuer Leiter des Amts für Immobilienmanagement, wurde zwei Wochen vor Ablauf der Probezeit gefeuert.

Es heißt, die Chemie mit Planungsdezernent Gregor Bonin habe nicht gestimmt. Und Nicole Süring - von Erwin für die Spitze des Ordnungsamtes vorgesehen - findet sich inzwischen als einfache Mitarbeiterin im Rechtsamt wieder.

Wo diese Form der Kontrolle fehlt, steigt die Meinungsfreude. Das ist nicht zuletzt im Pressespiegel zu beobachten, der täglich tausenden Verwaltungsmitarbeitern zugeleitet wird.

Seit Erwins Amtsantritt folgte die Artikelauswahl der ehernen Regel: Kritik wird ausgeblendet, Positives prominent platziert. Auch das ist anders. Zuletzt tauchten gar Berichte über das neue Monkey’s Island oder die Nominierung von Karin Kortmann zur OB-Kandidatin der SPD auf.

Ebenfalls neu: Amtsleiter geben Journalisten Antwort, ohne sich vorher eine Erlaubnis beim Presseamt zu holen.

Der Wind des Wechsels ist auch bei der Mitarbeitervertretung zu spüren. "Der Informationsfluss hat sich verbessert, es ist alles entspannter geworden", hat etwa Katharina Lang vom Gesamtpersonalrat festgestellt.

"Man traut sich wieder, Entscheidungen zu delegieren und an den Stellen zu treffen, wo sie hingehören", sagt Robert Wollborn, Personalrat der Allgemeinen Verwaltung. Eine Anspielung darauf, dass Erwin vieles zur Chefsache erklärt hatte.

Eine Wagenburgmentalität, das war Erwin und seinem Stab schon zu Lebzeiten oft vorgeworfen worden. Jetzt hingegen gilt eine andere Losung: "Der Burgherr ist weg - das Tor steht offen."