Literaturkritik Wulf Noll schreibt eine missglückte Hommage an den Beat
Düsseldorf · Der Düsseldorfer Autor will mit seinem Buch „Zum Glück gab es Beat“ die deutsche Gegen-Kultur der späten 60er Jahre feiern. Er trägt sie aber zu Grabe.
Die Beat Generation - das waren US-amerikanische Autoren wie Jack Kerouac oder William S. Burroughs, die mit einer neuen Literatur gegen die autoritäre Nachkriegsgesellschaft protestierten: Comics, Kraftausdrücke oder Gossensprache. Auch in Deutschland wirkten Beat-Literaten wie Rolf Dieter Brinkmann, wenn auch nur in kleinen Szenen. Der Düsseldorfer Autor Wulf Noll holt in seinem Buch „Zum Glück gab es Beat“ nun einen bislang völlig unbekannten deutschen Beatnik ans Licht: Ronny Blumenstein. In zwölf Erzählungen will er den Mythos der späten 60er Jahre „anders belichten“, indem er die apolitischen Aspekte der Revolte ins Visier nimmt: Literatur, Philosophie, Musik, freie Liebe, Hippie-Kultur oder Reisen in ferne Länder. Ein verheißungsvolles Versprechen, das der Autor zunächst auch zu halten scheint.
Blumensteins Geschichte beginnt mit zwei Traumata: Geboren in der Endphase des Zweiten Weltkriegs, überlebt er einen Bombenangriff auf das Familienanwesen. Als junger Erwachsener leidet er schließlich unter der spießigen Adenauer-Ära, den Verstrickungen der Vätergeneration in das NS-Regime und den neuen Kriegen, etwa im Vietnam. Die Therapie, die sich Blumenstein auferlegt: In die Welt der Philosophie und der Poesie tauchen und in die eigene Psyche reisen. Er begibt sich in die bayerischen Privatwälder der Fürstenfamilie Thurn und Taxis, um dort in einer Hütte als Eremit zu leben.
Nun könnten das Buch richtig spannend werden. Wird es aber nicht. Der Leser erfährt, dass Blumenstein im Wald arbeitet, liest, nachdenkt, Besuche empfängt und als Gesellschaftsaussteiger in der Presse landet. Und immer wieder wird erwähnt, wie sehr die Hauptfigur innerlich reift. Ronny wird gar als „Magier“, „Schamane“ oder „Übermensch“ bezeichnet, der Frauen wie Männer in den Bann zieht. Doch die Beweise fehlen. Noll behauptet nur, beschreibt aber nicht, er verwehrt den Zugang zu Ronnys inneren Prozessen. Ununterbrochen nennt er Autoren, die Blumenstein prägen, von Eichendorff über Dostojewski bis hin zu Kerouac, aber kaum ein Wort davon, was sie genau in ihm auslösen.
Diese Behauptungsliteratur zieht Noll konsequent bis zum Ende des Buchs durch. Und dabei erlebt Blumenstein noch so viel: Er lernt Christine kennen, macht mit ihr seine ersten sexuellen Erfahrungen, reist mit ihr nach Britannien, taucht in Hippie-Kulturen ein, unternimmt einen Trip nach Indien oder landet in der Kommune 1. Doch Noll bemüht sich nicht, diese Erlebnisse plastisch zu erzählen. Überhaupt fehlt es den Erzählungen an jeglichen Konflikten.
Und selbst die Reisebeschreibungen von Schottland oder Wales klingen so, als ob sie einem Lexikon entnommen wären. Nur an einem mangelt es Noll nicht: an Überheblichkeit. So stellt er Blumenstein in eine Reihe mit Goethe oder Kerouac. Bemerkenswert dafür, dass er mit einer leblosen Hauptfigur den Beat zu Grabe trägt. Goethe und Kerouac würden darüber wohl nur lachen, wenn es denn nicht so traurig wäre.
Wulf Noll: Zum Glück gab es Beat. Edition Virgines, 310 S., 18 Euro.