WZ-Leser sehen das gute alte Düsseldorf

Die Gewinner unserer Verlosung durften als erste die Ausstellung mit den Bildern des früheren WZ-Fotografen Jürgen Retzlaff anschauen. Sie entdeckten eine Stadt, die es so nicht mehr gibt, und viel hintergründigen Humor.

Foto: Melanie Zanin

Düsseldorf. Gerd Dietrich kennt einen berühmten Mann persönlich. „Der Jupp“, sagt er, als er in der Foto-Ausstellung im Stadtarchiv eine Aufnahme von Joseph Beuys entdeckt. Das Foto zeigt den Künstler kurz nach seinem Rauswurf aus der Kunstakademie. „Der war nicht der Schlechteste. Er hat immer gefragt, wie es einem geht und ob es was Neues gibt“, berichtet der Mann, der damals als Akademiegehilfe gearbeitet hat.

Wie Dietrich ging es allen WZ-Lesern, die als erste die Ausstellung besichtigen durften. Das Stadtarchiv zeigt Bilder von Jürgen Retzlaff, der zwischen 1955 und 1995 für unsere Zeitung fotografiert hat. In der Schau ist das volle Spektrum von Alltagsszenen über wichtige Momente der Stadtgeschichte bis hin zu den prominenten Besuchern zu sehen. „Jürgen Retzlaff hat dabei auch immer die Düsseldorfer fotografiert, wie sie ihre Stadt und ihre Ereignisse anschauen“, erklärte Julia Lederle-Wintgens, stellvertretende Leiterin des Stadtarchivs beim Rundgang.

Jeder der Besucher machte seine eigenen Entdeckungen: Orte, die es so in Düsseldorf längst nicht mehr gibt wie das alte Rheinufer oder das frühere Kom(m)ödchen, und Berufe, die heute keiner mehr ausübt wie das „Fräulein vom Amt“, also die Vermittlerin im Fernsprechamt. Es gab reichlich zu entdecken und viel zu erzählen. „Jürgen Retzlaff hat mich auch mal fotografiert“, berichtete Gernot Stens. An der Lenaustraße ließ er als Kind Drachen steigen — eine Szene, die Retzlaff festhielt, und zwar so, dass man den Schriftzug „Hörzu“ nicht lesen konnte.

Die Besucher mögen den Humor sehr, der in vielen Bildern steckt. So hat Retzlaff Schützen auf Pferden so von hinten fotografiert, dass sie exakt zum Jan-Wellem-Denkmal auf dem Marktplatz passen. Und beim Appell der Bundeswehr in der Bergischen Kaserne guckt zwischen den strammstehenden Soldaten eine Ziege hervor.

Auch ein Bild von einer Ente (das Auto), die im Juli 1975 im Hochwasser steckengeblieben war, erzählt einen Teil Düsseldorfer Geschichte. Henry Krausen erinnert sich gut daran: „Die Ente hatte Sitze wie Campingstühle und keine Heizung“. Auf den Fotos fällt ihm auch die Kleidung von damals auf: „Man hatte eine kurze Lederhose für den Sommer und eine Dreiviertel-Hose mit langen Strümpfen für den Winter, damals war man noch abgehärtet“.

Nach dem Rundgang hatten die Besucher noch eine Gelegenheit, sich ans gute alte Düsseldorf zu erinnern. Mitten in der Ausstellung hängen Stöcke mit nachgedruckten Zeitungsseiten. Darauf sind die Retzlaff-Bilder in ihrem jeweiligen Originalkontext zu finden — und mit ihnen noch jede Menge andere Geschichten.

Die Gewinner unserer Verlosung lernten von Julia Lederle-Wintgens und der Leiterin des Fotoarchivs, Andrea Trudewind, zugleich viel über die umfangreichen Sammlungen des Hauses und die Arbeit, die in solch einer Ausstellung steckt. Die beiden haben mit 35 000 Negativen von Jürgen Retzlaff angefangen und diese Sammlung über viele Jahre so erschlossen, dass nun eine Ausstellung und ein Bildband daraus werden konnten. Die beiden haben also viele, viele Fotos von Retzlaff gesehen — und sich damit unter anderem die Anerkennung von Ulrike Hermann verdient: „Was haben Sie für einen tollen Job“, sagte die Besucherin.