Schule: Eltern fürchten weite Fahrten
Julia Sohn kritisiert das Verfahren für die weiterführenden Schulen. Ihre Tochter leide darunter, sagt sie.
Düsseldorf. Mittwochmorgen, es ist 6.30 Uhr. Jetzt noch schnell den letzten Happen des Frühstücksbrötchens hinunterschlucken, den Kakao austrinken und dann die Zähne putzen. Langsam muss Nele sich beeilen, schließlich muss die Zehnjährige ja um 8 Uhr in der Schule sein. Und der Weg dorthin ist weit. Noch ist diese Szene reine Fantasie. Dass sie im kommenden Schuljahr Realität werden könnte, davor hat Neles Mutter Julia Sohn derzeit aber Angst. Auf ihre Wunschschule kann die Viertklässlerin nach den Sommerferien nicht gehen, so viel steht fest. Wie und vor allem wo es im neuen Schuljahr weitergeht, das wissen Nele und ihre Mutter aber noch nicht.
Und dabei hätte alles so einfach sein können. Julia Sohn und ihre Tochter leben in Oberkassel, mit einer uneingeschränkten Empfehlung der Grundschule hatte die 41-Jährige Nele am nahe gelegenen Comenius-Gymnasium angemeldet. Von dort kam nun aber eine Absage. Es wollten mehr Kinder die Schule besuchen, als das Gymnasium Plätze hat, heißt es im Schreiben der Schulleitung. Entschieden wurde daher per Losverfahren. Nur, wer schon ein Geschwisterkind an der Schule hat, wurde bevorzugt behandelt.
Dieses Verfahren ist Usus in Nordrhein-Westfalen, fair findet Julia Sohn es aber nicht. Wohnortnähe wäre ihrer Meinung nach das bessere Kriterium für die Platzvergabe, so wie es auch bei Grundschulen gehandhabt wird. Das kann der stellvertretende Schulverwaltungsamtsleiter Florian Dirszus nachvollziehen. Es gebe da aber für die Stadt keinen Spielraum, sagt er. „Die Kriterien sind im NRW-Schulgesetz festgeschrieben.“
Das Anmeldeverfahren bringe zudem eine psychische Belastung der Kinder mit sich, kritisiert die Mutter weiter. „Das Gespräch beim Direktor, der uns von Anfang an nicht viele Hoffnungen gemacht hat. Das bange Warten anschließend. Jetzt nicht zu wissen, wie es weitergeht, das alles nimmt Nele mit“, sagt Julia Sohn. Schlimm sei für ihre Tochter außerdem, dass sie wohl nicht weiterhin mit ihren Freunden aus der vierten Klasse gemeinsam zur Schule gehen wird, sondern womöglich erst einmal niemanden kennt an der neuen Schule. „Da werden Kinder aus einer Nachbarschaft auseinander gerissen.“
Die Stadt als Schulträger versuche, das Anmeldeverfahren so fair wie möglich zu gestalten, erklärt Florian Dirszus weiter. Deshalb habe man in diesem Jahr auch darauf verzichtet, Eltern bei der Anmeldung eine Erst- und Zweitwahl angeben zu lassen. Das habe zu Absprachen unter Schulleitern und damit zu noch mehr Unmut geführt. In diesem Jahr gibt es bislang übrigens weniger Beschwerden als in den Vorjahren. Und Dirszus ist optimistisch, dass im Nachrückverfahren alle einen Platz auf einem Gymnasium bekommen, die auf ein Gymnasium möchten. Kompromissbereit müssen hingegen die sein, die eine Gesamtschule besuchen möchten. „Bei mehr als 1000 Anmeldungen und 760 Plätzen geht das nicht anders.“
Julia Sohn und ihre Tochter hoffen nun auf einen Platz am Görres-Gymnasium, am Montag möchten sie die Anmeldung dort abgeben. „Und dann müssen wir wieder warten.“