Zehn Jahre nach dem Pfingststurm in Düsseldorf Ein Sturmkind namens Ela

Düsseldorf · Vor zehn Jahren wütete ein Orkan über Düsseldorf. Bis heute verbindet das Ehepaar Stephan Kaminski und Elena Buchmüller viel mit dem Unwetter. Allen voran: ihre Hochzeit und ihre Tochter Ela.

Der Pfingststurm traf vor allem den Hofgarten schwer. Etliche Bäume wurden zerstört, ebenso das Glashaus „Vivarium“.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Als der Arzt fragte, wie das Mädchen denn heißen solle, sagte Elena Buchmüller: „Ela“. Der Arzt fragte: „Wie der Sturm?“. Die Mutter antwortete: „Ja“.

Zehn Jahre ist es her, dass der Pfingststurm Ela über Düsseldorf zog. Am 7. Juni 2014 gegen 21 Uhr traf er von Westen her auf die Stadt. Die Wolkenwand verdunkelte den Himmel, Böen peitschen mit bis zu 142 km/h, 40 Liter Regen fielen pro Quadratmeter. Binnen Minuten deckte der Sturm Dächer ab und entwurzelte Tausende Bäume. Viele Düsseldorfer werden sich an diesen Abend erinnern. Und an den nächsten Morgen, als das ganze Ausmaß der Verwüstung sichtbar wurde. Viele werden eine Geschichte zu erzählen haben, die sie mit dem Pfingststurm verbindet. Die von Elena Buchmüller und Stephan Kaminski ist eine davon, eine Besondere.

Der wichtigste Teil dieser Geschichte ist acht Jahre alt und geht in die zweite Klasse. Sie ist die Größte unter ihren Schulkameradinnen und spielt Feldhockey. Sie singt gerne und spielt Klavier, am liebsten Klassik und Rock. Ihr Lieblingslied ist Lemontree. Sie ist fröhlich und macht gerne Witze, sie ist ein Sonnenschein und ein Wirbelwind. Ein Sturmkind – mit dem Namen Ela.

Sie werde oft auf ihren Namen angesprochen, sagt Ela, die Tochter von Elena Buchmüller und Stephan Kaminski. Aber vor allem, weil viele nur den Namen Ella kennen, nicht aber die Version mit einem L. Die Verbindung zum Pfingststurm vor zehn Jahren ziehen die wenigsten. Ihre gleichaltrigen Freundinnen und Freunde, die erst eins, zwei Jahre nach dem Unwetter auf die Welt kamen, sowieso nicht. Elena Buchmüller und Stephan Kaminski erinnern sich aber noch genau daran. Denn an Pfingsten 2014 haben sie Hochzeit gefeiert.

Als sie an Pfingstsamstag in weißem Kleid und im Anzug in den Hofgarten gingen, war das Unwetter noch weit weg. Sie heirateten an diesem Tag im Standesamt an der Inselstraße. Die Sonne schien, beim Sektempfang auf der Hochzeitswiese standen sie im Schatten der alten Linden. Die Hochzeitsfotos zeigen das Paar in dem Park, Familienmitglieder und enge Freunde an ihrer Seite, die großen Bäume im Hintergrund. Die Ruhe vor dem Sturm.

Zwei Tage später, an Pfingstmontag, stiegen sie in einen Flieger, auf dem Weg in die Flitterwochen nach Bali. Die ersten Wolken zogen schon auf, das Flugzeug ruckelte kräftig, als es abhob. Andere Flüge wurden schon gecancelt, der Flieger nach Indonesien war einer der letzten, der noch abhob. Als das Ehepaar zurückkam, war alles anders.

Den Hofgarten traf
das Unwetter besonders schwer

Die Gewitterfront des Tiefdruckgebiets Ela hatte eine Schneise der Verwüstung hinterlassen. Es war eines der verheerendsten Unwetter der vergangenen Jahrzehnte in Nordrhein-Westfalen. Im Düsseldorfer Süden fielen zwei Bäume auf eine Gartenhütte, in der sich neun Menschen untergestellt hatten. Drei überlebten es nicht. Insgesamt wurden in Düsseldorf 30 000 Bäume beschädigt. Es traf den Hofgarten besonders schwer. Rund die Hälfte des Baumbestandes war zerstört. Weitere folgten im Zuge der Aufräumarbeiten, sie konnten nicht mehr gerettet werden.

„Für uns war ein Ort der Erinnerung zerstört“, sagt Elena Buchmüller. Das Paar lebt seit Jahren am Rande des Hofgartens. Der Park ist wie ihr Wohnzimmer, Teil ihres täglichen Arbeitswegs, ihre Hochzeitslocation. Als Elena Buchmüller dann von der Aktion „Sturmbrettchen“ hört, will sie daran teilhaben. Vier junge Düsseldorfer, Architekten und Designer, hatten den Plan gefasst, aus den entwurzelten Bäumen 10 000 Schneidebrettchen zu fertigen. Als Erinnerung an die Bäume und an den Pfingststurm.

Einige Brettchen sind makellos, andere haben große Bruchstellen, Astlöcher oder Verwachsungen. In einigen Bäumen steckten noch Granatsplitter aus Kriegszeiten. Beim Zersägen der Bäume kostete das mehrfach Zeit und Material, knapp 40 Sägebänder gingen kaputt. Die allermeisten Bäume stammten aus dem Hofgarten und konnten per Koordinaten genau zugeordnet werden. Der Breiten- und Längengrad wurde an die Seiten der Brettchen eingelasert. Linde, 140 Jahre, Hofgarten. Das steht auf den fünf Brettchen, die Elena Buchmüller und Stephan Kaminski heute zuhause haben, sie stehen gut sichtbar in der Vitrine neben dem Esstisch. Es ist der Baum, unter dem sie vor zehn Jahren ihre Hochzeit gefeiert haben.

Als am 14. Januar 2016 ihre Tochter auf die Welt kam, stand der Name schon fest: Ela. Durch Zufall waren sie auf der Namenssuche auf diese Idee gekommen und sind schließlich dabei geblieben. „Wir wollten den Namen Ela für uns wieder positiv besetzten“, sagt Elena Buchmüller.

Der Hofgarten ist immer noch ihr Wohnzimmer, sagt das Paar. Jahrelang hat der Wiederaufbau den denkmalgeschützten Park geprägt, seit zwei Jahren gilt er als abgeschlossen. „Der Hofgarten ist so wunderschön geworden“, sagt Elena Buchmüller. Viele Stunden verbringen sie dort, vor allem im Sommer. Unzählige Male waren sie schon mit Ela auf dem Kletterspielplatz, ihrem Sturmkind. Sie wird eines Tages die Brettchen erben.