Immer mehr Menschen greifen in Großstädten selbst zur Gießkanne – doch wie sinnvoll ist das? Durstige Bäume leiden unter Trockenheit
WUPPERTAL/BERLIN · Immer mehr Menschen greifen in Großstädten selbst zur Gießkanne – doch wie sinnvoll ist das?
. Drei Mal in der Woche füllt Uwe Buckendahl seine beiden roten und gelben Gießkannen und macht sich auf den wenige hundert Meter langen Weg zu „seiner“ Linde. Der imposante Baum bekommt seit einiger Zeit regelmäßig von ihm Wasser. „Man sollte nicht immer nur meckern und fordern, sondern auch selbst Verantwortung übernehmen“, sagt der ehemalige Schulleiter und Geografielehrer. Sorgfältig umkreist er mit dem Wasserstrahl aus der Gießkanne den Baum.
Mit seinem Hobby ist Buckendahl nicht allein. Vielerorts rufen mittlerweile Kommunen, private Initiativen und Umweltschützer dazu auf, die Bäume vor der Haustür zu wässern. Laut Naturschutzbund BUND gibt es in mehreren Städten „Gießgruppen“ – etwa in Düsseldorf, Köln oder Frankfurt am Main. Hilfe ist aus Expertensicht dringend nötig. „Die Trockenheit wirkt sich verheerend auf die Stadtvegetation aus“, sagt Christian Hönig, Referent für Baumschutz beim BUND Berlin. Er empfiehlt, ein Mal pro Woche acht bis zehn Eimer Wasser pro Baum. „Mit dem ersten Eimer vorsichtig angießen bis sich die Bodenporen öffnen und das Wasser aufnehmen und dann gießen bis die Pflanzgrube gesättigt ist.“ Junge Bäume könnten auch öfter gegossen werden.
Annette Berendes, Leiterin des Ressorts Grünflächen und Forsten der Stadt Wuppertal, rät: „Die Bäume und Sträucher am besten einmal in der Woche und dann richtig üppig gießen.“ Bekämen die Bäume täglich das notwendige Nass, würden sie verlernen, ihre Wurzeln nach Wasser suchen zu lassen, Oberflächenwurzeln auszubilden und umso anfälliger für Trockenheit sein. „Früh morgens oder spät abends zu gießen ist besonders gut, dann verdunstet das Wasser nicht so schnell“, empfiehlt Berendes.
Erste Anzeichen, dass Bäume unter Trockenheit leiden: Sie rollen ihre Blätter ein oder werfen sie ab, Äste werden kahl, die Kronen licht. Gerade Straßenbäume haben wenig Platz für ihre Wurzeln, Wasser kann nur „sehr begrenzt“ gespeichert werden, so Hönig. Hinzu komme, dass Grundwasserstände in den Städten meist abgesenkt und niedrig gehalten werden, so dass die Bäume nur schwer an Wasser kommen. Allein in Berlin hat sich laut Hönig in den vergangenen drei „Trockenjahren“ die Zahl der jährlich gefällten Straßenbäume auf rund 6000 erhöht – etwa 20 Prozent mehr als in den Jahren zuvor.
Ute Bedbur kennt das Problem. Vor ihrem Balkon an der Ausfahrt der Tiefgarage musste jüngst ein Baum gefällt werden. So wurde sie auf das Thema Stadtbäume aufmerksam – und beschloss mit ihrer Hausgemeinschaft aktiv zu werden. „Eine Straße ist mindestens doppelt so schön, wenn da Bäume stehen“, sagt die 67-Jährige. Gießpläne hängen seit Mai in den Hauseingängen und sollen helfen, die 13 Straßenbäume vor der Wohnanlage zu bewässern.
Joachim Bauer hält das Gießen nur bei Jungbäumen für sinnvoll. Bei alten Exemplaren wisse man oft gar nicht, wo überall Wurzeln entlangführen – und das Wasser erreicht diese nicht. Bauer leitet in der deutschen Gartenamtsleiterkonferenz (Galk) die Arbeitsgemeinschaft zu Stadtbäumen, in der sich die Kommunen regelmäßig zum Thema austauschen. „Trockenheit ist überall ein großes Thema“, sagt Bauer, der eigentlich im Kölner Grünflächenamt arbeitet. Die Stadt, in der rund 80 000 Straßenbäume stehen, fördert derzeit 1400 Baumpatenschaften – allein in diesem Jahr sind 200 neue dazugekommen. Wer eine Patenschaft übernimmt, bekommt etwa einen Wassersack, der am Baum nach und nach das kostbare Nass abgibt.
Zwar hat es in den vergangenen Wochen immer wieder geregnet, insgesamt aber bleibt es in Deutschland dennoch zu trocken: So fielen im Juni im Schnitt etwa 90 Liter Niederschlag pro Quadratmeter. Der Wert lag damit zwar im langjährigen Mittel – regional aber war es weiterhin sehr trocken. „Man muss in den Städten auch über andere Bäume nachdenken“, sagt Bauer. Bundesweit testen die Kommunen derzeit knapp 40 Baumarten, die gut mit trockenen und schwierigen Standorten zurecht kommen. Palmen etwa seien zwar für den Sommer denkbar, kämen aber mit dem Frost im Winter nicht zurecht. Für vielversprechend hält er etwa Arten wie den einheimischen, bisher aber kaum verbreiteten Feldahorn, aber auch Exoten wie den japanischen Schnurbaum.
Wurde früher ein frisch gepflanzter Stadtbaum drei Jahre lang vom Grünflächenamt gewässert, sind mittlerweile viele Kommunen zu sieben Jahren übergangen, berichtet Bauer. Danach müsse der Baum sehen, dass er sich selbst versorgen kann. „Wir können ihn ja nicht immer am Tropf halten.“ Zudem handele es sich um Trinkwasser – und um kostbares Gut.