NRW Ein Auge über der Zeit sein

Kempen ·   (aflo) So einfach zu verstehen, das lassen sich Till Rodheudts Verse nicht. „zerrissene Jahre durchgestrichene wörter eine verbrannte Lebensplanung & meine sporadischen Entwürfe meine unfertigen versuche verschwinden wie flüchtige fischer dörfer“ heißt es in einem seiner Verse in seinem zweiten Gedichtband „Sub specie ateternitatis“, der jetzt erschienen ist.

Till Rodheudt mit seinem zweiten Buch „sub specie aternitatis“.

Foto: Lübke, Kurt (kul)

Sein Verleger Anton G. Leitner spricht von Versen mit einem „geradezu psychedelischen Flow“, die einen „mit ihren tranceartigen Bildkombinationen in bislang verborgene Parallelkosmen“ versetzen. Aber wer ist dieser Mann, der so tiefgründig-komplex schreibt ?

Zunächst mal ein in Kempen ansässiger Künstler, der vor 47 Jahren in Köln geboren wurde, dessen Großvater Ingenieur in Aachen war, dessen Vater Revisor im Arzneifirmen-Bereich war, die Mutter Notariatsfachangestellte.

„Meine Elternhausprägung war moderat“, sagt Rodheudt. Der Vater liest gerne den „Spiegel“: Früh interessiert sich der Sohn für Geschichte, Architektur, historische Stadkerne. „Ich dachte, als ich jung war, ich werde Historiker.“ Mit 17 Jahren schreibt er „schon passable Gedichte und Theaterstücke“, sagt er über sich. Als junger Mann studierte er in Frankfurt am Main Literatur und Philosophie. Dort traf er auf die Nachfolger der „Frankfurter Schule“ wie den Adorno-Schüler Alfred Schmidt. „Sie haben mich nachhaltig geprägt“, sagt der Lyriker. Er besuchte „tolle Poetik-Vorlesungen“, hörte unter anderem den Büchner-Preisträger Rainald Goetz. Und er verfasste seine Abschlussarbeit über das „Utopisch-Mythologische der Philosophie“ von Ernst Jünger.

In Rodheudt lebt
der Drang zum Schreiben

Rodheudt faszinierte „die Avantgarde“, Theaterschaffende wie Heiner Müller oder Thomas Bernhard,  Surrealisten wie Celan, „wo versucht wurde, die Sprache weiter zu entwickeln.“ Besonders Heiner Müller hatte es ihm angetan, der versuchte, „mit Sprache eine Metaebene zu finden, die vom Text wegführt und Sprache weiterführt.“

Den Beruf, den er ergriff, hatte mit Philosophie dann direkt nichts zu tun. Er arbeitete in Frankfurt in der Personalberatung, übernahm Management-Aufgaben, pendelte zwischen Frankfurt und Düsseldorf. Dann kaufte Rodheudt 2007 ein Haus in Krefeld, fünf Jahre später dann eins in Kempen. Zuhause fühlt er sich irgendwo überall dort. „Ich habe schon eine regionale Anbindung zu den Orten, wo ich gelebt habe“, sagt er. In der ganzen Zeit schrieb Rodheudt „viel für die Schublade“, erzählt er. 20 Jahre Personalmanage-ment, das sei es schwer, sein kreatives Potenzial zu erhalten „und auf Niveau Lyrik zu machen.“  Aber er tut es immer wieder. „Es sucht einen selber“, meint Rodheudt, auch auf die Gefahr, pathetisch zu erscheinen. „In den Enddreißigern ist das nochmal mit voller Wucht auf mich zugekommen. Ich muss schreiben.“ Seine beiden Kinder helfen ihm auf subtile Art „für den kreativen Moment als Resonanzraum“, wie er sagt.

Über das Kreative kommt für ihn auch die Verbindung zur Politik. “Menschen, die politisch Erfolg haben, sind Menschen, die etwas Neues kreiieren wollen.“ Er nennt in dem Zusammenhang Joseph Beuys, der mit seiner Kunst politisch war, oder den Theaterregisseur Christoph Schlingensief. Mit unterschiedlichen Charakteren etwas zu erreichen, auf der Basis seines traditionellen geschichtlichen Fundaments und „verwurzelt in der Kultur“ im „Wissen um die Werte“, das war sein Antrieb, seit zehn Jahren Mitglied der CDU und sogar für acht Monate „Intensiv Stadtverordneter zu sein.“ Ende August wurde er im Rat verabschiedet.

Vor zwei Jahren erscheint sein erster Lyrikband „zwischen den beats“, jetzt der zweite. Ein dritter erscheint im kommenden Jahr. „Und ich schreibe gerade an meinem vierten Band.“ Was die Idee seiner Arbeiten ist ? „Ich knüpfe an die moderne Lyrik an, die wie Paul Celan surrealistisch-hermeneutische Klänge hat.“ Vor allem kurz wie bei Stefan George muss es sein. „Ich mag den Zustand der Verknappung von Sprache.“

Und mit der Sprache will er„einen Teppich von Assoziationen schaffen für pathetische Themen“ wie Sein, Nichts, Bestimmtheit oder Metaphysik.  Ein starkes Thema ist dabei die Frage, wo der Mensch in der Gesellschaft steht: „Wohin wir kommen, wo wir sind als Individuum in der Gesellschaft mit unserem Erfahrungshorizont.“ Dass seine Lyrik kein Ende und eine Offenheit hat, das ist ihm wichtig. „Ein Gedicht ist nie fertig.“

Rodheudt hofft, dass seine Kunst anderen Menschen „eine Hilfe für das eigene Suchen“ sein kann. „Das Beste, was Kunst kann, ist anzuregen, über Dinge nachzudenken.“  Und deutlich wird in dem Werk die Sehnsucht, den Sinn des Lebens zu verstehen - wie in den Gedichtzeilen „Könnt ich das auge sein ein auge über der zeit.“