Mit dem rein elektrischen Polestar 2 will die Volvo-Tochter den Massenmarkt erobern – und vor allem Tesla wehtun Ein neuer Stern am Elektro-Himmel
DÜSSELDORF · Nanu, was ist denn das für ein futuristisches Logo? Zwei simple, gegeneinandergestellte Pfeilspitzen – vielleicht ein Stern? Das fragt sich so mancher Bewunderer der beiden ersten Modelle der neuen schwedisch-chinesischen Automarke Polestar.
Der Hersteller sieht sich selbst denn auch als „Leitstern der Elektrofizierung der Automobilindustrie“. Und wer die beiden Modelle Polestar 1 und Polestar 2 getestet hat, dem wird schnell klar: Der Stern könnte aufgehen.
Polestar ist die Performance-Marke des schwedischen Herstellers Volvo, will sich jedoch klar vom großen Bruder absetzen. Erstens, weil Polestar klar auf Elektromobilität setzt und zweitens in Sachen Design und Sportlichkeit völlig neue Maßstäbe anlegt. Hervorgegangen ist das Unternehmen mit Sitz in Göteburg 2017 aus der Volvo Car Group und der chinesischen Zhejiang Geely Holding. Als neue, eigenständige Marke vertreibt Polestar seine Fahrzeuge derzeit in zehn globalen Märkten in Europa, Nordamerika und China. Im Sommer eröffnete Polestar an der Berliner Allee in Düsseldorf gemeinsam mit der Moll-Gruppe das deutschlandweit erste Polestar Space, einen Showroom, der durch sein puristisches Design eher an eine Kunstgalerie erinnert als an eine klassische Verkaufsfläche. Verkauft werden die Autos ausschließlich übers Internet. Im Polestar Space selbst können Kunden die Modelle lediglich besichtigen und Probefahrten vereinbaren. „Der Automarkt befindet sich gerade weltweit im Wandel. Neben der Elektromobilität treiben wir bewusst die Veränderung des Handels voran. Wir möchten das Gesicht des Automobileinzelhandels neu gestalten und die Beziehung der Kunden zu ihrem Automobilhersteller neu definieren“, sagte Thomas Ingenlath, CEO von Polestar, während der offiziellen Eröffnung.
Der Polestar 1 ist das Aushängeschild der Polestar-Produktserie und das Fahrzeug, mit dem die Marke an den Start ging. Das 609 PS starke Sport-Coupé mit Hybridantrieb ist auf 1500 Exemplare limitiert. Ende des Jahres läuft die Produktion im chinesischen Werk Chengdu aus. 200 bis 300 Modelle sind laut Hersteller noch verfügbar, bis die Charge erschöpft ist. Mit einem Preis von 155.000 Euro war der Hybrid-GT von Anfang an nicht als Serienfahrzeug gedacht, sondern wurde sozusagen als Türöffner für die junge Marke konzipiert. Der mickrige 115-Liter-Kofferraum macht den Polestar 1 ohnehin nicht gerade alltagstauglich. Hier geht es um reinen Fahrspaß und Emotionen: Sein Hybrid-Antrieb mit einer Leistung von 609 PS und einem Drehmoment von 1000 Nm sucht man in der Hybrid-Klasse vergeblich. Seine leistungsstarke Hybridtechnik erlaubt eine rein elektrische Reichweite von 124 Kilometern und ist damit ebenfalls Spitzenreiter (CO2-Ausstoß: 13 g/km WLTP). Für die 609 PS sorgen ein Elektromotor an der Vorderachse (50 kW/68 PS), zwei Elektromotoren an der Hinterachse (zusammen 171 kW/232 PS) und ein 2,0-Liter-Vierzylinder-Benziner mit 227 kW (309 PS). Der Verbrennungsmotor arbeitet sowohl mit einer Kompressor- als auch mit einer Turboaufladung, was besonders selten ist.
Dazu kommen eine Karbonfaser-Karosserie, Sechs-Kolben-Akebono-Bremsen und einstellbare Öhlins-Dämpfer, die das Fahren mit dem Polestar 1 zu einem echten Genuss machen. Volvo-Chef-Designer und Polestar-Vorstand Thomas Ingenlath schwärmte bei der Vorstellung im Polestar Space Düsseldorf vom 1er als dem „schönsten Auto der Welt“. Und die Fachwelt zeigte sich ebenso begeistert. Hauptabnehmerländer sind bisher die USA und China, in Deutschland fahren laut Hersteller weniger als 50 Polestar 1 auf der Straße.
Das dürfte sich beim Nachfolgemodell Polestar 2 schlagartig ändern. Die 2020 vorgestellte Fließheck-Limousine sieht nicht nur extrem edel und gradlinig aus, sie ist auch das erste vollelektrische Modell des Unternehmens und will mit einem Einstiegspreis von 54.925 Euro den Massenmarkt erobern. Und nicht zuletzt Tesla mit seinem Verkaufsschlager Model 3 den Kampf ansagen.
Der Polestar 2 verfügt über Allradantrieb und eine Leistung von 408 PS (300 kw, Höchstgeschwindigkeit 205 km/h). Mit einer Akkuladung kommt der Wagen laut Hersteller 470 Kilometer weit. In der Praxis liegt die Reichweite des 78 kWh-Akkus jedoch deutlich darunter. Eine Vollladung mit nominell 150 kW dauert dafür weniger als eine Stunde. Zum Vergleich: Der Tesla 3 hat mit einem 50-kWh-Akku nahezu die gleiche Reichweite. Trotz seiner zwei Tonnen schafft es der Polestar 2 in weniger als fünf Sekunden von 0 auf 100 km/h – und das nahezu geräuschlos. Ein wahres Vergnügen. Und trotz des ziemlich straffen Fahrwerks bleibt das Fahrgefühl angenehm.
Der Platz im Fond ist zwar für Großgewachsene etwas knapp bemessen, dafür geht das Kofferraumvolumen von rund 400 Litern noch in Ordnung. Die Armaturen sind hochwertig verarbeitet. Das 11,5 Zoll große Touchscreen-Display erinnert eher an ein Tablet als an einen Bordcomputer. Der Polestar 2 ist außerdem das erste Auto, das voll auf der Google-Betriebssystem Android Automotive setzt. Dessen Sprachsteuerung funktioniert tadellos. Alles in allem ist der Polestar 2 derzeit in jeder Hinsicht das spannendste E-Auto auf dem Markt, dessen Stern noch lange strahlen dürfte.
Der Polestar 3 steht übrigens schon in den Startlöchern. Das erste rein elektrische SUV der Volvo-Tochter soll eine Reichweite von 500 Kilometern haben. Die Serienversion der Polstar-Studie Precept könnte 2023 auf den Markt kommen. Sie soll laut Hersteller aus vollständig recyclebaren Materialien gefertigt werden.