Justiz Hängepartie um hohes Richteramt in NRW setzt sich fort

Düsseldorf · Die Affäre um die Besetzung eines der höchsten Richterämter Nordrhein-Westfalens geht zurück auf Start. Justizminister Limbach zieht nach Kritik auch des Bundesverfassungsgerichts Konsequenzen.

Hängepartie um hohes Richteramt in NRW setzt sich fort
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Bei der Besetzung einer der höchsten Justizposten Nordrhein-Westfalens muss eine weitere Warteschleife gedreht werden: Das Besetzungsverfahren für das Präsidentenamt am Oberverwaltungsgericht NRW wird wieder aufgerollt. Das Landeskabinett müsse nach nun erforderlichen neuen Beurteilungen für alle drei Bewerber eine neue Auswahlentscheidung treffen, kündigte Landesjustizminister Benjamin Limbach (Grüne) in Düsseldorf an.

Die Stelle ist infolge diverser gerichtlicher Auseinandersetzungen über die Rechtmäßigkeit der Auswahl bereits seit mehr als drei Jahren unbesetzt. Auch nach einer neuen Kabinettsentscheidung - Limbach peilt dafür das Frühjahr an - könnten unterlegene Bewerber erneut klagen und die Hängepartie verlängern.

Kern des Problems: Die bisherige Favoritin im Auswahlverfahren, eine Duz-Bekanntschaft des Justizministers, hatte in ihrer Beurteilung Bestnoten von Innen-Staatssekretärin Daniela Lesmeister erhalten, obwohl diese damals lediglich zwei Monate ihre Vorgesetzte gewesen war.

Lesmeisters Amtsvorgänger Jürgen Mathies, der als Vorgesetzter immerhin gut zwei Jahre lang die Arbeitsleistung der Bewerberin als Abteilungsleiterin beobachten konnte, war nach eigener Aussage nicht dazu befragt worden. Das hatte ein Gutachter der Landtagsopposition als rechtswidrig kritisiert.

Die SPD-Opposition forderte, Limbach und Lesmeister zu entlassen. „Diese Landesregierung hat allem Anschein nach mit Trickserei versucht, eine ihr gewogene Kandidatin zur Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts von Nordrhein-Westfalen zu machen“, warf Oppositionsführer Jochen Ott der schwarz-grünen Koalition vor.

Dass Mathies nicht in die Beurteilung eingebunden war, sei damals für das Justizministerium nicht ersichtlich gewesen, versicherte dessen Personalabteilungsleiter. Die FDP-Opposition hält das weder für nachvollziehbar noch für glaubwürdig. „Hier wurde bewusst manipuliert, um eine bestimmte Person auf die Spitzenposition zu hieven - gegen die Regeln der Bestenauslese und auf Kosten von Transparenz und Fairness“, bemängelte der rechtspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Werner Pfeil.

„Ich möchte nicht drum herumreden: Es ist ein beachtlicher Fehler passiert bei der Beurteilung einer Bewerberin, der uns zeitlich zurückwirft“, räumte Limbach ein. „Das ärgert mich.“ Allen Beteiligten müsse jetzt klar sein: „Der nächste Anlauf muss sitzen.“

Limbach: Keine Gefälligkeitsbeurteilung, aber Fehler

Vorwürfe der politischen Einflussnahme wies der 55-Jährige jedoch entschieden zurück: „Eine Beurteilung auf Bestellung ist eine reine Erfindung der Opposition.“ Für die Auswahlentscheidung des Kabinetts hätten nur die rechtlich ausschlaggebenden Kriterien eine Rolle gespielt: „Leistung, Eignung, Befähigung.“

Einen persönlichen Fehler räumte der Minister dennoch ein. Bei einem gemeinsamen Essen hatte seine Duz-Bekannte, die er seit einer gemeinsamen beruflichen Zeit an einem Gericht kannte, ihr Interesse an einer Bewerbung auf das Spitzenamt bekundet. „Mein Fehler war, bei dem Abendessen nicht zu sagen: Oh, das ist ein dienstliches Thema“, sagte Limbach. Auch künftig werde er Gesprächswünsche aber nicht generell abschlagen.

Wie geht es nun weiter?

Schon am Dienstag will Limbach dem Landeskabinett vorschlagen, die bisherige Auswahlentscheidung förmlich aufzuheben. Das sei eine „zwingende Konsequenz“, nachdem zuvor Lesmeisters umstrittene Beurteilung für die Bewerberin nach einem rechtlichen Hinweis des OVG aufgehoben worden war. „Wir gehen davon aus, dass das Eilverfahren durch das Oberverwaltungsgericht nun eingestellt wird“, sagte Limbach.

Eine neue Ausschreibung werde es aus rechtlichen Gründen nicht geben, weil das laufende Verfahren nicht einfach abgebrochen werden dürfe, erläuterte der Justizminister. Alle drei Bewerber - neben der bislang favorisierten Frau sind auch noch zwei Männer im Rennen - hätten aber nun Anspruch auf neue Beurteilungen, in die auch die Jahre seit der nun hinfälligen ersten Beurteilung einzubeziehen seien.

Persönliche Konsequenzen nicht in Sicht

Auf die Frage, ob die bisherige Favoritin nicht zurückziehen sollte, um das hohe Amt nicht zu beschädigen, sagte Limbach: „Es ist nicht meine Aufgabe, Ratschläge zu geben. Jeder und jede wird für sich prüfen, ob er im Verfahren bleibt oder nicht.“

Und hat er selbst infolge der Hängepartie an Rücktritt gedacht? „Nein, da sehe ich keinen Anlass“, antwortete Limbach nachdrücklich. Er habe Spaß an seiner Arbeit und wolle sie gerne fortsetzen.

U-Ausschuss prüft Vorwurf der Vetternwirtschaft

Ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss des Landtags prüft derzeit, ob Vettern- und Parteibuchwirtschaft den Ausschlag bei der Besetzung der Präsidentenstelle des Oberverwaltungsgerichts gab oder die Kompetenz der Bewerber. Zeugen hatten im Ausschuss ausgesagt, dass die Kandidatin auf Grundlage ihrer Beurteilung an ihren männlichen Mitbewerbern vorbeigezogen sei. Für den kommenden Dienstag ist NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) als Zeuge geladen.

Zwei Verwaltungsgerichte hatten das Besetzungsverfahren bereits gestoppt. Das Gericht in Münster hatte dabei scharfe Kritik geäußert und von manipulativer Verfahrensgestaltung geschrieben. Das Oberverwaltungsgericht hatte dann keine durchgreifenden Bedenken gesehen - wurde aber vom Bundesverfassungsgericht angewiesen, den Fall noch einmal genauer zu prüfen.

© dpa-infocom, dpa:241115-930-289346/2

(dpa)