Literatur „Friedhofsgemüse“: Ein Arzt blickt zurück auf seinen Zivildienst in einem Wuppertaler Seniorenheim
Wuppertal · Unter dem Pseudonym Hugo Baboons hat Uwe Völker, heute Arzt, seine Erlebnisse aus seiner Zeit in einem Wuppertaler Altenheim als Buch veröffentlicht.
Zivildienst machen – aber wo? Diese Frage haben sich wohl die meisten Männer bis 2011 gestellt. Uwe Völker kommt aus dem Kreis Mettmann und hat Mitte der 90er Jahre seinen Zivildienst in einem Wuppertaler Seniorenheim gemacht. Nun hat er seine Erlebnisse und Erinnerungen unter dem Pseudonym Hugo Baboons als Buch herausgebracht: „Friedhofsgemüse – Wundersame Legenden aus einer Seniorenresidenz“.
„Also Altenheim, weil ich zu dem Zeitpunkt überlegt hatte, Medizin zu studieren“, erzählt Völker im Gespräch mit der WZ. „Da dachte ich mir, ich suche mir etwas möglichst Sinnvolles raus, was auch mit Medizin zu tun hat“. Mittlerweile ist er Arzt.
Dass er mit dem Schreiben begann, war das Resultat einer Reihe von Zufällen – drei Komponenten stechen dabei heraus. Zum einen sei die Leitung in dem Heim sehr entspannt und geduldig gewesen. „Die haben einfach diese Atmosphäre kreiert“, erzählt Völker. „Und sie haben mir Zeit gegeben“. Zeit, in dieser Welt, in dem Alltag des Seniorenheims anzukommen, als Zivildienstleistender Mitte 20, der vorher noch nie in der Pflege gearbeitet hatte. Zum Anfang seines Dienstes sei er oftmals zwei bestimmten Seniorinnen zugeteilt worde – Anni und Tante Grete, die sich durch nichts und niemanden hetzen ließen und gesprächig waren. Das sei die zweite Komponente gewesen. Und die dritte Komponente folgte mit seiner Begegnung mit Frau Fiona Pettenkoffer (alle Namen sind im Buch abgeändert).
„Heute würde ich sagen, dass sie möglicherweise einen Schlaganfall hatte und eine Störung des motorischen Sprachzentrums“, sagt er. „Und deswegen kamen die Wörter raus, die ich nicht verstanden habe.“ Die Frau habe Sätze geäußert, die für sie sicherlich Sinn ergeben hätten, aber nicht für ihn. „Es hörte sich aber poetisch an.“
Dann habe sie etwas gesagt, dass er sich aufschreiben wollte, hatte aber weder Stift noch Block zur Hand. Nach Dienstende habe er es aufschreiben wollen, musste dann aber feststellen, dass er es vergessen hatte. Am nächsten Tag das gleiche Spiel.
„Dann bin ich direkt ins Dienstzimmer gelaufen und habe mir Stift und ein Blatt Papier genommen und wollte es aufschreiben und dann war es wieder weg, weil das einfach so ungewöhnlich war“. Beim dritten Mal sollte es anders sein. Ausgestattet mit Papier und Stift ging es wieder zum morgendlichen Waschen von Frau Pettenkofer, die zum nassen Waschlappen auf ihrem Rücken sagte: „Das ist der Bittel-Wittel-Feuchel, mein kur-oh-lisses Kittelein. Ist das das Jöppen-Poll? Hellglädchen in Wö-Wö-Schau“.
Der Grundstein für „Friedhofsgemüse“ war gelegt. Am Ende der Dienstzeit habe er rund 100 DIN A4-Seiten voll mit Notizen gehabt. Doch bis das Buch im Oktober 2024 im Selbstverlag erschien, vergingen noch einige Jahre.
Schreibblockade
erfolgreich überwunden
„Ganz initial habe ich versucht, einen Roman daraus zu machen, der als roter Faden diese ganzen Geschichten verbindet. Das hat aber nicht funktioniert“. So pausierte er mit seiner Arbeit an dem Material. Vor rund zwei Jahren, als er mit einem anderen Projekt eine Schreibblockade hatte, fasste er den Entschluss, sich noch einmal seinen Notizen von damals zu widmen. Denn: „Dieses Material ist so gut, sowas werde ich nie wieder bekommen. Das muss ich nun professionell angehen“.
Das Cover hat Völker mit seiner Familie ausgesucht, gemeinsam entschieden sich alle für den schönsten und passendsten Vorschlag. In Vorbereitung auf die Veröffentlichung von „Friedhofsgemüse“ filmte und schnitt Tochter Anjuna auch extra einen „Booktrailer“, der auf YouTube zu finden ist und wie bei einem Film einen Vorgeschmack auf das Werk gibt.
Den Vornamen seines Pseudonyms Hugo Baboons stammt aus der Zeit, in der er in Südamerika unterwegs war. Viele Menschen dort hatten „Uwe“ nicht aussprechen können und stattdessen „Hugo“ gesagt. Der Name blieb. In Südafrika begegnete er einem Pavian, der auf einem Auto saß. Auf Englisch heißen Paviane „Baboons“ – und so war das Pseudonym geboren.
Auch später habe Völker immer wieder von seinen Erfahrungen in der Seniorenresidenz profitiert. „Also die Perspektive des Pflegepersonals kennenzulernen, und generell auch für die Wahrnehmung von Menschen in dem Alter, hat es geholfen“, erzählt er. Und würde er sich heute noch einmal für den Zivildienst dort entscheiden? „Ja, natürlich“, ist sein Fazit.
Die Geschichten sind wie in einem Tagebuch angeordnet, man erlebt die Geschehnisse aus der Sicht des Zivildienstleistenden. Doch gibt es keinen erhobenen Zeigefinger, keine Moral am Ende, es wird nicht auf die gegenwärtigen Situationen in der Pflege hingewiesen. Vielmehr soll „Friedhofsgemüse“ den Lesern einen authentischen Einblick in den Alltag und die Lebensrealität im Seniorenheim geben, der mal komisch, mal frustrierend, mal berührend oder nachdenklich stimmend ist.
„Friedhofsgemüse – Wundersame Legenden aus einer Seniorenresidenz“, erschienen im Selbstverlag, gibt es auf Plattformen wie Amazon und im lokalen Buchhandel.