Wirtschaft im Kreis Viersen Handwerk sieht pessimistisch in die Zukunft

Kreis Viersen · 41 Prozent der Betriebe im Kreis Viersen rechnen mit Auftragsrückgängen, fast 90 Prozent erwarten eine schlechtere Geschäftslage.

Das Baugewerbe verzeichnet Auftragsrückgänge.

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Die Handwerksunternehmen im Kreis Viersen gehen in großer Mehrzahl von einem drastischen Einbruch der Geschäfte aus. Das zeigt das Herbstgutachten der Handwerkskammer, die die Ergebnisse ihrer Umfrage vorstellte. Dabei liegen die Beschreibungen der Lage und die Erwartungen an das nächste halbe Jahr extrem auseinander. Denn immerhin noch 47 Prozent der Betriebe im Kreis schätzen ihre Geschäftslage als gut ein. Das erwarten für die nahe Zukunft allerdings nur noch elf Prozent.

Einen so starken Rückgang verzeichnete die Kammer seit 15 Jahren nicht mehr. Über nahezu alle Branchen hinweg erwarten die Unternehmen geringere Umsätze, weniger Aufträge und Beschäftigung.

„Hersteller von Heizkörpern haben innerhalb eines Jahres viermal die Preise erhöht“, berichtet Marc Peters, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft.

Foto: Ja/Knappe, Joerg (jkn)

Bekommt man künftig schneller einen Handwerker und muss nicht mehr monatelang warten?

Im Kreis Viersen sind die Auftragsbücher der Handwerksbetriebe laut Umfrage im Durchschnitt noch 9,2 Wochen gefüllt. Zum Vergleich: Im Frühjahr waren es elf Wochen, im Herbst 2021 lag der Wert bei 9,8 Wochen. Rund 41 Prozent der Betriebe rechnen allerdings für die Zukunft mit einem Auftragsrückgang. „Wenn die Kunden sich mit Neuaufträgen zurückhalten, ist eventuell die Chance da, dass Handwerksbetriebe schneller für Aufträge zur Verfügung stehen“, sagt Marc Peters, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Niederrhein. „Allerdings können sie die Aufträge auch nur bearbeiten, wenn er das Material hat.“ Nach wie vor seien die gerissenen Lieferketten ein Thema. Und: Nicht alle Handwerksbetriebe rechnen mit sinkenden Auftragszahlen. In der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik sowie der Elektrotechnik werden gleichbleibende oder sogar mehr Aufträge erwartet. Ein Grund: Die Nachfrage nach Photovoltaik-Anlagen und Wärmepumpen ist sehr hoch.

Werden die Handwerker demnächst die Preise senken, um mehr Aufträge zu bekommen?

„Abwarten“, sagt Peters. Ein wichtiger Kostenfaktor bei Handwerkerrechnungen seien die Materialpreise. Das aber sei knapp, entsprechend hätten sich beispielsweise Hersteller von Heizkörpern vier Preiserhöhungen innerhalb von Jahresfrist leisten können, berichtet der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft. Daneben gebe es auch energieintensive Bereiche im Handwerk, die von den starken Kostensteigerungen betroffen seien.

Warum schauen die Handwerksbetriebe so pessimistisch in die Zukunft?

Die aktuelle Lage und die Erwartungen werden im Geschäftsklimaindex zusammengefasst. Der ist im Kreis Viersen auf einen lange nicht gesehenen Wert abgerutscht. Über alle Branchen hinweg liegt er mit 94 um 29 Punkte tiefer als im Frühjahr und auf einem Niveau von 2010. Von einem „dramatischen Abstieg“ spricht Handwerkskammerpräsident Andreas Ehlert. „Wenn wir nicht aufpassen, geraten wir in den perfekten Sturm.“ Für diese Gefahr gibt es laut Ehlert mehrere Ursachen: ein Zusammenwirken von Krieg, Corona-Folgen, Inflation, Material- und Lieferengpässen sowie Zurückhaltung bei den Kunden. „So könnten auch kerngesunde Unternehmen in die Knie gezwungen werden und längst nicht nur die von den explodierenden Energiepreisen direkt betroffenen.“

Wie bewertet das Handwerk die Hilfsprogramme?

Handwerkskammerpräsident Andreas Ehlert kritisiert, dass die bisherige Krisenpolitik im Bund den handwerklichen Mittelstand zu wenig im Blick habe: „Das meiste, was derzeit in der Diskussion ist, geht noch am Handwerk in der ganzen Bandbreite seiner Betroffenheiten vorbei.“ Auch aus Sicht des Handwerks komme es darauf an, die Kostenexplosion bei Energie und Gas in den Griff zu bekommen. „Es ist notwendig, dass möglichst schnell Entlastung kommt – und unbürokratisch“, so Ehlert. „Aber politisch verordnete Preisbremsen könnten das Übel sogar verstärken, wenn sie die Anreize zum Energieeinsparen abschwächen und die Energieknappheit am Ende noch verschärfen.“

Für das Handwerk komme es „entscheidend“ darauf an, die Versorgungssicherheit zu erhöhen: „Wir werden die Preise nur nachhaltig bremsen können, wenn wir die Energieproduktion schnell hochfahren – mit allen verfügbaren Energieträgern.

Und wir müssen alles tun, damit wir Energie einsparen – durch Verhaltensänderungen oder durch Investitionen in energieeffiziente Technologien und Produktionsabläufe.“

Wie steht das Handwerk im Kreis Viersen im Vergleich mit den umliegenden Handwerkerschaften da?

Im Mittelfeld. In Neuss beispielsweise liegt der aktuelle Geschäftsklimaindex mit 105 deutlich über dem im Kreis Viersen (94). In Krefeld oder Mönchengladbach hingegen liegt der Geschäftsklimaindex bei 88. Rund 37 Prozent der Handwerksbetriebe im Kreis Viersen wollen Investitionen zurückfahren – in Krefeld sind es 43 Prozent, in Mönchengladbach 35 Prozent.

Interessant: Rund 20 Prozent der Handwerksbetriebe im Kreis wollen mehr investieren, in Mönchengladbach sind es 13 Prozent, in Krefeld sind es acht.