In Schönheit altern „Das Schlimmste wäre, wenn ich mich nicht mehr schminken kann“
Hilden · Der Wunsch gepflegt zu sein und sich schön zu fühlen, vergeht nicht plötzlich, nur weil man die 60 geknackt hat. Zwei Bewohnerinnen und ein Bewohner der Seniorenresidenz am Stadtpark Hilden berichten, wie sie es mit der Schönheit halten.
Karin Sander hat seit über 30 Jahren jeden Morgen die gleiche Routine: Nach dem Duschen und Zähneputzen tritt sie sehr nah an den Spiegel heran. Sander hat eine Sehbehinderung – auf einem Auge ist sie blind, auf dem anderen sieht sie noch ungefähr 15 Prozent. Sie trägt erst ihre Tagescreme auf, danach etwas Rouge. Dann Kajal-Stift, mit dem sie ihre Augen umrandet und schließlich Wimperntusche. Danach macht sie sich die Haare. Sander ist 81 Jahre alt und ungeschminkt geht sie nicht vor die Tür. “Ich kann das sogar fast ohne Spiegel – irgendwie klappt‘s auch. Vielleicht klappt es auch mal daneben. Das weiß ich ja nicht, denn ich kann es ja selbst nicht so richtig sehen.“
Sander ist genau wie Silvia Kavli (83) und Herbert Proff (86) Bewohnerin der Seniorenresidenz am Stadtpark Hilden. Allen drei ist es sehr wichtig auch im fortgeschritteneren Alter noch auf sich zu achten, sich zu pflegen und sich schön zu fühlen. Für viele andere Senioren ist das keine Selbstverständlichkeit. Im Alter wird der Körper bei vielen gebrechlich, die Feinmotorik versagt im schlimmsten Fall irgendwann. Bei manchen will auch der Kopf nicht mehr so ganz und grundlegende Dinge wie die Körperpflege gehen dann nicht mehr ohne Hilfe. Nicht alle sind fit genug um selbstständig zum Friseur zu gehen und gerade in Zeiten des Pflegenotstands ist auch nicht immer Zeit allen Senioren ausführlich beim Schminken zu helfen. Und natürlich ist es wie immer auch immer eine Frage des Geldes.
Besonders Sander erfährt gerade am eigenen Leib, dass ihre Routine wirklich keine Selbstverständlichkeit ist: Ausgerechnet auf dem Weg zum Friseur ist die 81-Jährige gestürzt. Nun wird sie den linken Arm für eine Weile nicht richtig benutzen können, was ein echtes Problem ist, denn sie ist Linkshänderin. Ihre Haare hat sie mühsam mit einer Hand gewaschen – jetzt kann sie sich wieder sehen lassen. Trotz des Unfalls will sie aber weiter zu ihrem Stammfriseur gehen, denn auf einen guten Schnitt legt sie wert: „Bei den Haaren bin ich echt pingelig.“
Schönheitspflege ist unter den Seniorinnen in der Residenz ein großes Thema: „Wir haben hier eine Freundin, die ist schon 89. Ich habe immer sehr bewundert, dass sie so gepflegt aussieht. Jetzt geht es ihr schlechter. Neulich hat sie zu mir gesagt, dass sie sich ihre Fingernägel jetzt nicht mehr macht. Sie hat Schmerzen und kann sich nicht gut bewegen“, berichtet Proff. Wenn man höre oder sehe, dass die Mitbewohner die Körperpflege vernachlässigen, dann werde man hellhörig. Denn oft könne das ein Anzeichen sein, dass es gesundheitlich oder geistig bergab gehe. Andersrum gilt auch: Wer sich pflegt und schön fühlt, erhält seine Würde. Wenn das nicht mehr geht, kann das zu Scham, sozialem Rückzug und Abbau führen. Für Sander steht fest: „Das Schlimmste was mir passieren könnte, wäre dass ich es nicht mehr schaffen mich zu pflegen und zu schminken.“
Manche Schönheitsgelegenheiten ergeben sich aber auch erst durch das Alter. Kavli zum Beispiel hat früher als Briefträgerin gearbeitet. „Bei dem Beruf muss man raus bei Wind und Wetter. Das war rinn in de Klamöttche und raus aus de Klamöttche.“ Lange Gelnägel in dem Beruf sind also schwierig. Insgesamt habe sie sich früher eher weniger für Kosmetik und Nagelstudios interessiert. Den Anstoß dazu gab irgendwann ihr Mann: „Durch ihn habe ich da einen Kick-in-the-Back bekommen. Der hat rausgekitzelt, dass ich mal was für mich tue.“
Kavli, Sander und Proff sind offen für neue Schönheitstrends. Aber alles hat seine Grenzen: „Einmal haben die mir bei der Kosmetikerin falsche Wimpern aufgeklebt. Als ich die Augen aufgemacht und in den Spiegel geschaut habe, hab ich direkt gesagt: ‚Ok, abmachen.‘ Ich sah aus wie Daisy Duck“, erzählt Kavli lachend. Dass junge Menschen sich inzwischen mehrschichtig schminken, haben die Senioren mitbekommen. „Leben und Leben lassen. Wenn die das schön finden, ist es doch gut. Wir sind ja früher auch verrückt gewesen, haben uns die Haare lang wachsen lassen und alles“, sagt Proff.