Naturschützer erstatten Anzeige Vogelfänger mit illegalen Leimruten auf der Jagd nach Singvögeln
Meerbusch · Auf einer Brachfläche bei Bösinghoven wurden sogenannte Leimruten gefunden. Mit Hilfe dieser klebrigen Stöckchen in Futterpflanzen sollten vermutlich Stieglitze gefangen werden. Eine Naturschutzorganisation hat Anzeige erstattet.
Der unwissende Spaziergänger könnte die kleinen, hellen Holzstäbe leicht übersehen haben, die auf einer Brachfläche zwischen Bösinghoven und dem Krefelder Stadtteil Oppum in den stachligen Blättern der Disteln gehängt waren. Für Singvögel – vor allem den auf diese Futterpflanze spezialisierten Stieglitz, bedeuten die Stöckchen jedoch eine ernste Gefahr, denn es sind Vogelfallen, die mit Hilfe von Klebstoffen die schönen Singvögel fangen sollen. Wer die sogenannten Leimruten dort zum illegalen Vogelfang aufgehangen hat, ist bisher unklar. Die Naturschutzorganisation Komitee gegen den Vogelmord hat eine Anzeige erstattet.
Rund drei Dutzend der Leimruten hat ein Spaziergänger dem Komitee gemeldet. Diese sollen zum Lebendfang der Singvögel eingesetzt werden: Wenn die Tiere auf den Stöckchen landen, kleben sie fest und fallen zu Boden, wo sie sich kaum noch bewegen können und vom Vogelfänger nur noch eingesetzt werden müssen. „Diese Fangmethode ist hochgradig illegal und sollte auf jeden Fall polizeilich verfolgt werden“, sagt Julian Bähr, Wildvogelexperte beim Meerbuscher Nabu. Ihm ist die Fangmethode zwar bekannt, diese komme aber vor allem im Mittelmeerraum vor, wo viele Singvögel als Delikatesse gelten. Auch dort ist sie zwar in den meisten Ländern verboten, wird aber offenbar regelmäßig praktiziert. Von solchen Vogelfallen am Niederrhein haben weder Bähr, der für verschiedene Untersuchungen häufig mit Genehmigung im Gelände unterwegs ist, noch Andrea Blaum, Vorsitzende des Meerbuscher BUND, gehört.
Das bestätigt auch Philip Munscheid, Leiter des Hegering Meerbusch. Er und die anderen Jäger sind regelmäßig im Gelände unterwegs, dennoch sind Leimruten für sie neu. Wie auch die Mitglieder der Naturschutzorganisationen ist Mundscheid entsetzt von der grausamen Fangmethode. „Das ist ein absolutes No-Go. Abgesehen davon, dass solche Fallen verboten sind, lassen sie die Tiere stark leiden. Für ein solches Vorgehen habe ich kein Verständnis, dagegen sollte mit aller Schärfe vorgegangen werden.“
Gezielt sollen Stieglitze
gefangen genommen werden
Axel Hirschfeld, Sprecher des Komitee gegen den Vogelmord, geht davon aus, dass in Meerbusch gezielt Stieglitze für die Haltung und den Verkauf gefangen werden sollten. „Das ist kein Einzelfall, bundesweit gibt es jedes Jahr dutzende Fälle von illegalem Vogelfang. Leimruten sind dabei aber eine seltene Methode“, so Hirschfeld. Er betont, dass die Falle zwar dazu dient, die Vögel lebend zu fangen, für die Tiere jedoch trotzdem eine große Gefahr darstellen, weil sie hilflos auf dem Boden zurückbleiben. Sie sind dort auch vollkommen schutzlos gegen Räuber. Sollte der Vogelfänger seine Fallen nicht rechtzeitig kontrollieren und die gefangenen Tiere finden, könnten diese auch den Hungertod sterben. „Solche Brachflächen mit vielen Disteln sind eine ideale Umgebung für den Stieglitz, und an dieser Stelle gibt es sehr viele davon. Wir gehen also davon aus, dass der oder die Täter es gezielt auf diese Vogelart abgesehen hatten.“
Der Stieglitz, auch Distelfink genannt, ist mit seinem markanten roten Kopf nicht nur ein sehr ansehnlicher Vogel, sondern verfügt auch über einen schönen Gesang, der in unseren Breiten das ganze Jahr zu hören ist. Mit schätzungsweise 305 000 bis 520 000 Brutpaaren ist diese Finkenart in Deutschland vertreten, sie zählt zu den Standvögeln. Ihr idealer Lebensraum sind offene, baumreiche Landschaften und Brachen mit Vegetation. Auf einer solchen wurden bei Bösinghoven die Fallen gefunden.
Früher gehörten die heimischen Stieglitze zu den beliebtesten Käfigvögeln, sie lassen sich auch mit Kanarienvögeln und anderen Finkenarten kreuzen. Inzwischen sind sie in den deutschen Käfigen häufig durch exotische Vögel abgelöst, werden aber nach wie vor gehalten. Zur Anschaffung ist aber vorher eine Weiterbildung, etwa in Form von Literatur, notwendig. Zudem können Stieglitze nur aus der Zucht legal erworben werden, die Entnahme aus der Natur – sowohl das Sammeln von Eiern und Jungvögeln als auch der Fang von ausgewachsenen Tieren – ist streng verboten. Dabei kann nicht nur das Fangen der wildlebenden Tiere bestraft werden, sondern auch der Besitz und der Verkauf.
Auch deshalb hoffen die Naturschützer, dass es gelingt, den Vogelfänger von Meerbusch zu fassen – oder zumindest von weiteren Taten abzuhalten. Mehrere Tage lang haben Mitglieder des Komitees gegen den Vogelmord die Brachfläche bei Bösinghoven beobachtet, jedoch ohne Erfolg. „Offenbar hat der Täter mitbekommen, dass seine Fallen bemerkt wurden“, sagt Hirschfeld. Er ruft alle Bürger auf, die Augen offen zu halten, sollten anderswo in der Region ähnliche Fallen auftauchen. Der Verein bittet jeden, der entsprechende Beobachtungen macht oder gemacht hat, sich an das Komitee und die Polizei zu wenden. Für Hinweise, die zur Ergreifung des Vogelfängers führen, hat der Verein eine Belohnung von 1000 Euro ausgelobt.