Jahrzehnte in falscher Sicherheit gewähnt
Impulse Gedanken zur Corona-Krise – heute von Thorsten Obst.
Ostern 2020 und der Petersplatz ist leer. Es sind Bilder, die wir nicht kennen und doch erleben werden. Und da gibt es so viele Fragen, die wir nicht beantwortet bekommen. Mir scheint, auch der religiöse Glaube greift auf gewohnte Muster zurück. Warum lässt Gott das zu? Ist das eine Strafe?
Angesichts der gegenwärtigen Krise zeigt sich, wie sehr wir uns doch in den letzten Jahrzehnten in falschen Sicherheiten gewähnt haben. Den Klimawandel konnte man noch getrost vertagen, da die Folgen für das eigene Leben noch überschaubar schienen. Mit dem Virus ist dies nun anders. Er trifft uns unmittelbar. Ja, seit den Zeiten der atomaren Bedrohung wurde der Mensch in seiner Freiheit nicht mehr so radikal in Frage gestellt. Wie geht es nach Corona weiter? Eines ist sicher, die Welt ist in wenigen Wochen eine andere geworden.
Und unser Glaube? Müssen wir jetzt wieder auf die hören, die das vertraute Bild vom sündigen Menschen hervorholen? Ich finde, dass dies unsere Glaubensauffassung zu einseitig wiedergibt. Worum geht es?
In den drei heiligen Tagen zu Ostern finden wir eine sehr dichte Konzentration des christlichen Glaubens vor. Sie beginnen mit dem Abendmahl. Jesus sitzt mit seinen Jüngern zusammen. Es ist nicht irgendein Mahl. Jesus setzt darin den Neuen Bund mit seinem Vater ein. Nicht mehr Regenbogen, Sterne oder das Blut der Lämmer stellen den Bund dar, sondern Jesus selbst – wahrer Gott und wahrer Mensch. Und wir, die wir getauft sind, sind ein Teil seines Leibes. Wir sind nicht mehr allein, sondern sind in Gemeinschaft mit ihm und allen anderen. Wir sind in ihm frei, um zu lieben. Das ist die höchste Sehnsucht des Christen: Gemeinschaft mit Gott.
Doch schon einen Tag später stehen wir vor der Katastrophe. Jesus hängt allein am Kreuz. Nur wenige sind noch geblieben. Der Rest ist weg. Sie haben Angst. Nichts ist mehr von der Gemeinschaft am Abend zuvor übrig. Ja – auch das ist unser Glaube! Der einsame Jesus am Kreuz. Hier zeigt sich, unser Glaube ist kein Märchen, Ende gut, alles gut. Gott geht in Jesus dahin, wo die Beziehung zur Gemeinschaft abbricht. Dort, wo es weh tut, wo alle weglaufen. Er geht schließlich in den Tod. Ist das nun das Ende? Ist das die Strafe?
Nicht doch; Jesus Christus ist der Auferstandene. Er ist der, der den Tod überwunden hat – für uns! Aber der Auferstandene besitzt noch die Wundmahle. Er ist immer noch der Gekreuzigte. Das Neue ist nicht einfach die Liebe Gottes zu uns Menschen, die alles gewesene wegwischt, nein, diese Liebe ist auch dann noch gegeben, wo es weh tut. Wir sind frei. Wir dürfen unser Leben selbst gestalten. Und die Liebe Gottes ist uns darin immer zugesagt. Sie ist da, wo es uns gelingt, sie zu leben, aber auch dann da, wenn wir an ihr scheitern.
Ich wünsche Ihnen allen gesegnete Ostertage,
Thorsten Obst,
Regionalvikar, Krefeld