Kameras an der A3 Die Wächter über den Seitenstreifen
Düsseldorf · Seit einem halben Jahr sorgen Kameras an der A3 zwischen Hilden und Mettmann dafür, dass es stundenweise einen vierten Fahrstreifen gibt. Dass dieser Baustein der Verkehrslenkung nicht noch öfter zum Einsatz kommt, hat nicht nur Kostengründe.
Hoch oben an den Winkelmasten thronen sie und werfen ihr wachsames Auge auf den Seitenstreifen entlang der Autobahn. 38 Videokameras kontrollieren den Abschnitt der A3 zwischen dem Autobahnkreuz Hilden und der Anschlussstelle Mettmann. Ihre Aufgabe: die temporäre Seitenstreifenfreigabe, wie es in bestem Behördendeutsch heißt. Ihr Ziel: ein besserer Verkehrsfluss.125 000 Fahrzeuge sind auf diesem Streckenteil täglich unterwegs, zehn Prozent davon Lkws.
Ein halbes Jahr ist es jetzt her, dass die Kameras in Betrieb genommen wurden, zusammen mit einer sogenannten Streckenbeeinflussungsanlage, die über digitale Tafeln die Geschwindigkeit der Verkehrssituation anpassen kann. Das ganze Paket hat sechs Millionen Euro gekostet, die Anlage gilt als eine der modernsten Deutschlands, NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) hat sich die Eröffnungsfeier im Dezember nicht nehmen lassen.
Operatoren entscheiden
über die Freigabe
Die Informationsfäden laufen in der Straßen NRW-Verkehrszentrale in Leverkusen zusammen. Sie ist 365 Tage im Jahr rund um die Uhr besetzt. Hier entscheiden die Verkehrsexperten der Zentrale, Operatoren genannt, darüber, ob die Autofahrer vorübergehend auch den Seitenstreifen nutzen dürfen. Der erste Impuls dafür kommt von verbauten Induktionsschleifen, die anhand von Geschwindigkeits- und Abstandsmessungen Meldung über die aktuelle Verkehrsbelastung geben.
Dann folgt der Auftritt der Kameras: Sie müssen nun die gesamte Sieben-Kilometer-Strecke kontrollieren, ob etwa Autos mit einer Panne oder ein abgefallener Auspuff den Seitenstreifen blockieren. Erst wenn die Operatoren sicher sind, dass keine Gefahr droht, sorgen sie dafür, dass die blauen Prismenwender entlang der Autobahn den Seitenstreifen als vierte Fahrbahn ausweisen. Zusätzliche Nothaltebuchten im Abstand von einem Kilometer sollen auch dann noch ein gefahrloses Anhalten im Notfall ermöglichen.
Wie effektiv das System den Verkehr an dieser Stelle entlastet, dazu will man sich in der Verkehrszentrale noch nicht im Detail äußern. Dafür sei es nach einem halben Jahr zu früh. Außerdem gebe es vor und hinter dem Abschnitt derzeit noch Baustellen, die den Verkehrsfluss erheblich beeinflussten. „Eine umfängliche Analyse der Wirksamkeit wird in der Regel nach zwei Jahren Betrieb erstellt“, sagt Sprecher Volker Gronau. Nur so viel: In beiden Fahrtrichtungen wird der Seitenstreifen im Durchschnitt jeweils drei Stunden vormittags und nachmittags freigegeben, wenn die Bedingungen es zulassen.
Der Strecke zwischen Hilden und Mettmann ist nicht die erste, auf der dieses Mittel der Verkehrssteuerung eingesetzt wird. Nordrhein-Westfalen war einst Pionier der Methode: 2001 wurde auf der A4 zwischen Refrath und Köln-Merheim die bundesweit erste Anlage in Betrieb genommen. Sie läuft heute noch. Später kamen die A57 nördlich von Köln und die A45 bei Hagen dazu. Die A3 ist der vierte Abschnitt.
Und er wird nicht der letzte bleiben: Die beidseitige Verlängerung zwischen Mettmann und dem Kreuz Ratingen-Ost ist schon im Bau. Auch an der A52 zwischen Neersen und Mönchengladbach-Nord wird eine entsprechende Anlage entstehen. „Angedacht für beide Bereiche ist eine Verkehrsfreigabe im kommenden Jahr“, sagt Sprecher Gronau.
Nicht jeder Standstreifen
ist auch geeignet
Dass dieser Baustein der Verkehrslenkung nicht noch öfter zum Einsatz kommt, hat nicht nur Kostengründe. „Der Standstreifen muss das auch hergeben“, so Gronau. Mal ist er zu schmal gebaut, mal von Brückenbauwerken unterbrochen, sodass eine Einrichtung keinen Sinn macht. Und es gab Zeiten, in denen die Standstreifen nicht so stabil ausgebaut wurden wie der Rest der Fahrbahn. Da ein Lkw aber die Verschleißwirkung von 60 000 Pkws hat und Laster in erster Linie den Seitenstreifen nutzen, wenn er als zusätzliche Fahrbahn freigegeben ist, wird mangelnde Stabilität zum K.-o.-Kriterium.
Klar ist aber: Modernes Verkehrsmanagement gewinnt an Bedeutung, weil der stetig wachsende Fahrzeugbestand nicht beliebig durch weiteren Ausbau des Straßennetzes auffangen werden kann. Diese Steuerung aus der Distanz, deren Systeme immer komplexer werden, hat einen Namen: Telematik. Ihre Fortentwicklung ist eine der Zukunftshoffnungen im Stauland NRW. Die Bedeutung der Verkehrszentrale wächst jedenfalls: Sie hat inzwischen Einfluss auf 540 Autobahnkilometer.