Satirewagen aus Düsseldorf sorgt für Ärger Kinderschützer kritisieren Karnevalswagen mit Sex-Darstellung
Düsseldorf · Der Wagen von Künstler Jacques Tilly zeigt Russlands Präsident Wladimir Putin und Patriarch Kirill beim Oralsex. „Es war ein Dilemma“, sagt Tilly über den Entwurf.
(nic/veke/dpa) Die Kontaktstelle Zartbitter gegen sexuellen Missbrauch von Kindern hat Jacques Tillys Rosenmontagswagen mit einer Darstellung von Russlands Präsident Wladimir Putin und Patriarch Kirill beim Oralsex kritisiert. „Auch wenn man Verständnis für satirische Darstellungen der Beziehung der russisch-orthodoxen Kirche zu Putin haben mag, es ist unverantwortlich, eine derartige Darstellung von Erwachsenensexualität auf einem Event für Familien zu präsentieren – und das ist der Rosenmontagszug allemal“, sagte die Zartbitter-Leiterin Ursula Enders am Dienstag.
Kinder registrierten solche Darstellungen sehr genau, sagte Enders. Unter Kindern in der Kita oder in der Grundschule sei „Penis-Lutschen“ ein häufiger Übergriff. Eine solche Darstellung im Karneval könne Kinder, die einen solchen Übergriff schon einmal erlebt hätten, retraumatisieren, berge aber auch die Gefahr der Verharmlosung.
Zuvor hatte bereits der Kölner Zugleiter Holger Kirsch betont, dass die dortigen Wagen bewusst etwas zurückgenommener seien, weil man den Zug als Familienfest sehe. Er wolle nicht, dass Eltern in Erklärungsnöte geraten, wenn auf den Wagen Sexualpraktiken oder Gewaltdarstellungen zu sehen seien.
Zartbitter kritisierte auch, dass beim Rosenmontagszug bei kalter Witterung eine Gruppe sommerlich gekleideter Cheerleaderinnen mit bauchfreiem Oberteil mitgelaufen sei. „Der Rock hing einigen Mädchen im Grundschulalter weit unter dem Bauchnabel. Dies ist im Sinne des Kinderschutzes als eindeutige Form der Kindervernachlässigung durch eine unangemessene Kleidung bei winterlichen Temperaturen zu bewerten“, so Zartbitter.
„Die Verantwortlichen des Karnevalszuges und der Vereinsvorstand sollten sich fragen, ob sie die persönlichen Rechte auf angemessene Kleidung beachten oder diese auf Kosten der Gesundheit und des Wohlbefindens von Kindern vernachlässigen“, so Philipp Büscher, Geschäftsführer von
Zartbitter.
„Die Kritik hat ihre Berechtigung“, sagte Tilly der Redaktion. „Ein Teil in mir sieht es genauso.“ Seine satirischen Wagen seien immer eine Abwägung und in diesem Fall habe er sich für die Kritik an der russisch-orthodoxen Kirche entschieden. „Diese Breitseite gegen die schreckliche Homophobie konnte ich mir nicht verkneifen“, sagt der Künstler. „Aber es war ein Dilemma.“
Beim Entwurf habe er über die Darstellung lange nachgedacht. „Ich habe mich gefragt: Geht das überhaupt, so eine Darstellung am Straßenrand?“ Sein Team habe sich geschlossen für die Idee und die Umsetzung ausgesprochen. Letztlich habe er das Bild so gebaut, dass man eigentlich nichts sieht, so Tilly. „Nur wer weiß, worum es geht, versteht den Wagen.“ Andere Wagen in den vergangenen Wagen seien viel eindeutiger gewesen, findet der Künstler. Aber: „Ich kann Kritik gut vertragen, ich teile ja selber aus.“