Kindesmissbrauch Künstliche Intelligenz soll ermitteln
DÜSSELDORF · NRW-Justiz geht neue Wege beim Kampf gegen Missbrauch und Kinderpornografie.
Dem massenhaften Konsum von Kinderpornografie gehen immer die den Bildern und Videos zugrundeliegenden Missbrauchsfälle voraus. Lügde, Münster, Bergisch-Gladbach und die mit diesem Ortsnamen zusammenhängenden Erkenntnisse über die Dimension dieser Verbrechen haben dazu geführt, dass die Ermittler genauer hinschauen. Das hat zur Folge, dass in diesem Bereich in NRW laut Justizminister Peter Biesenbach (CDU) in zwölf Monaten rund 1600 Ermittlungsverfahren gegen mehr als 1800 Beschuldigte geführt wurden. Konsequenz: Der Berg des sichergestellten Beweismaterials wächst immer schneller. Die Ermittler können dieser Massen von Datenträgern allein mit manueller Auswertung kaum noch Herr werden, jedenfalls nicht in der erforderlichen Geschwindigkeit. Denn auf Tempo kann es durchaus ankommen. Wenn nämlich bei dem sichergestellten Bildmaterial auch solches zu finden ist, das auf einen andauernden Missbrauch von Kindern und Jugendlichen hindeutet, der durch eine schnelle Verfolgung gestoppt werden könnte. Lösung: Die Auswertung von Bildern und Videos auf deren strafrechtliche Relevanz wird von Künstlicher Intelligenz geleistet.
Justizminister: Beweisauswertung wird revolutioniert
Eben hier soll es nun einen Sprung nach vorn geben. Durch ein „Forschungsergebnis, das seinesgleichen sucht“, wie Biesenbach am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Düsseldorf sagte. Eine Technik, die die bisherigen Möglichkeiten der schnelleren Beweisauswertung „revolutioniert“, schwärmte der Minister.
Die Forschungsarbeiten, die die bei der Staatsanwaltschaft Köln angesiedelte Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen (ZAC NRW) mit Wissenschaftlern und dem Hard- und Softwareentwickler Microsoft geleistet hat, sind abgeschlossen. Jetzt muss das Projekt ausgeschrieben und dann in der Praxis umgesetzt werden. Zac-Leiter und Oberstaatsanwalt Markus Hartmann nennt es ein „hybrides Cloud Szenario“. Dabei werden die bei den Ermittlungen aufgefundenen Bilddateien zwar lokal auf den Computern der Strafermittler verarbeitet, so dass kein Externer Zugriff darauf hat. Um aber zusätzliche Rechnerkapazitäten je nach Dimension des Falles in entsprechender Größe zumieten zu können, kommt die Cloud ins Spiel – die schnelle Verarbeitung der Daten auf externen Servern. Dazu werden die Daten aber eben nicht als Bilddateien in die Cloud gestellt, sie stehen laut Hartmann weiter nur unter der Kontrolle der Strafverfolgungsbehörden. Externe hätten keinerlei Zugriff. Die Software übermittle die Bilder in abstrahierter und anonymisierter Form. Hartmann nennt das nicht Verschlüsselung, sondern Abstraktion, die Bilder und Videos bleiben im Original auf den Rechnern der Strafverfolger. Sie würden aber, um die Datenverarbeitung in der Cloud zu nutzen, in eine „mathematische Repräsentanz dieses Bildmaterials“ umgerechnet. Und daraufhin analysiert, ob es sich um Kinderpornografie, um straflose Erwachsenenpornografie oder um irrelevantes Material handelt. Das Material sei von Externen bei Zugriff auf die Cloud nicht rückrechenbar, um etwa daraus wieder pornografisches Material zu erzeugen, versichert Hartmann. In weitaus größerem Tempo als bisher könne durch die zugeschaltete externe Rechnerkapazität ausgewertet werden, ob und welches strafrechtlich relevante Material auf den beschlagnahmten Datenträgern zu finden ist.
Die Ermittler von der Zentralstelle brauchen also kein eigenes Rechenzentrum, sondern mieten Rechenpower je nach Fall in der erforderlichen Rechnerleistung hinzu. Der Justizminister hat Haushaltsmittel bereitgestellt, jetzt muss noch ausgeschrieben werden, um dieses in der Strafverfolgung bislang „weltweit einmalige hybride Cloudmodell“ (Biesenbach) umzusetzen.