Erschlichene Freiheit? Gefälschter Impfausweis - strafrechtlich nicht leicht zu fassen.
Meinung | Düsseldorf · Immer mehr gefälschte Impfausweise werden im Internet angeboten. Wie das Nutzen dieser Fälschungen bestraft wird, ist nicht eindeutig. Strafwürdig ist es aber allemal.
Mit einem gefälschten Impfausweis bald wieder alle Freiheiten genießen – auch ohne Impfung. Die Berichte über entsprechende Angebote im Internet für 100 bis 130 Euro häufen sich. Die Justizminister warnen: Einen gefälschten Impfausweis zu benutzen, sei strafbar. NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) fordert, der „Privilegierten-Passus für Fälscher von Impf- und Gesundheitspapieren“ solle aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden. Was wie eine Idee für juristische Feinschmecker klingt, hat einen ernsten Hintergrund: Denn die Strafbarkeit ist zweifelhaft. Strafwürdig – gewiss, schließlich gefährdet derjenige, der einen gefälschten Ausweis vorlegt, obwohl er möglicherweise infiziert ist, die Gesundheit anderer. Aber so leicht ist jedenfalls den Nutzern solcher gefälschter Papiere strafrechtlich nicht beizukommen.
Neben Urkundenfälschung (Strafmaß: bis fünf Jahre) gibt es nämlich noch einen weiteren Strafparagrafen, der Vorrang haben könnte und damit eine Anwendung des Urkundenfälschungsparagrafen ausschließt: § 277 bedroht das Ausstellen und Nutzen gefälschter Gesundheitszeugnisse mit nur einem Jahr Strafe. Und der Nutzer des gefälschten Papiers macht sich auch nur dann strafbar, wenn er es einer Behörde oder Versicherung vorlegt. Die Vorlage in einem Restaurant wäre nicht mit Strafe bedroht. Bis Gerichte entschieden haben, wer sich nun wie strafbar macht, kann es lange dauern. Daher ist der Ansatz, den § 277 aus dem Gesetz zu streichen und sodann alle Fälle als Urkundenfälschung zu behandeln, richtig.
Doch das wird das Treiben von Fälschern und ihrer unlauteren Kundschaft kaum stoppen. Das bislang eher wertlose Papier, das auf einmal die große Freiheit verspricht, hat nun einen Marktwert. Mit entsprechender Nachfrage. Selbst wenn bald der digitale Impfausweis kommt, werden die Impfausweise weiterhin akzeptiert. Ein Einfallstor für Missbrauch. Was der Einzelne dagegen tun kann? Immerhin dies: Nicht stolz den eigenen Impfausweis mit dem entsprechenden Barcode im Netz posten, um andere neidisch zu machen. Denn so wird nur den Fälschern eine weitere Kopiervorlage geliefert.