Der Fall Metzelder Was es bedeutet, wenn jeder ein Täter sein kann
Meinung | Düsseldorf · Der Fall Metzelder bringt eine Erkenntnis mit sich: Kindesmissbrauch ist nicht nur ein Thema in den Schmuddelecken der Gesellschaft.
Auge um Auge, Zahn um Zahn. Vor Gericht geht es nicht um Rache, heißt es. Es geht darum, eine Strafe zu verhängen, die einer Straftat angemessen ist. Nicht mehr und nicht weniger, nicht Rache, nicht Genugtuung, sondern Gerechtigkeit im Sinne dessen, was die Gesellschaft als gerecht definiert hat. Am Donnerstag ist der ehemalige Fußballprofi Christoph Metzelder in einem kurzen Prozess zu einer Haftstrafe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Er hatte zugegeben, kinderpornografische Bilder besessen und verschickt zu haben. Er sprach von Fantasien, die keine Realität geworden seien. Insofern und angesichts der Tatsache, dass Metzelder seinen einst tadellosen Ruf nie wieder wird herstellen können, erscheint die Strafe angemessen.
Aber der Fall Christoph Metzelder hat noch eine Facette, die deutlich über das Erschrecken hinausgeht, dass ein ebenso erfolgreicher wie geschätzter und wohlhabender Fußballprofi hinter einer sympathischen Fassade eine moralisch hässliche Fratze verborgen hat. Der Mann, dem beispielsweise im Dortmunder Westfalenstadion zigtausende Fans zugejubelt, dem Millionen an den Fernsehschirmen die Daumen gedrückt haben, wenn er das Trikot mit dem Adler trug, dieser Mann gibt zu, Fantasien nachzuhängen, die mit widerlich noch höflich umschrieben sind. Das ist das eine.
Das andere ist die ernüchternde Bestätigung dafür, dass Kindesmissbrauch und Kinderpornografie nichts sind, was sich nur in den Schmuddelecken einer Wohlstandsgesellschaft abspielt. Das Denken an Missbrauch und vermutlich auch das Handeln, also die vollständige Abwesenheit von Verantwortungs- und Mitgefühl für das lebenslange Leiden der Opfer, ist auch in der gebildeten, gut situierten Mitte der Gesellschaft zu finden. Die Täter sind nicht dumm, hässlich und auf den ersten Blick zu erkennen. Christoph Metzelder hat bewusst gemacht, dass jeder ein Täter sein kann. Umso mehr sind die Opfer und die potenziellen Opfer darauf angewiesen, dass die Gesellschaft noch besser hinschaut und hinhört.