Klaus Marias Brandauers Gastvorlesung Klaus Maria Brandauer spricht über den Vornamen von Heine

Düsseldorf · Zum Abschluss seiner Gastprofessur in Düsseldorf ging Klaus Maria Brandauer darauf ein, warum Heine seinen Vornamen ablehnte.

Schauspieler und Regisseur Klaus Maria Brandauer überschrieb seine zweite und letzte Lesung mit dem Titel „Einen deutschen Dichter denken“.

Foto: dpa/Oliver Berg

Bei der zweiten und letzten Vorlesung von Klaus Maria Brandauer an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität war der große Hörsaal noch voller als beim ersten Mal. Rektorin Anja Steinbeck erinnerte an die Veranstaltung Ende März: „Es war so ruhig wie nie zuvor in diesem Raum, man hätte eine Stecknadel fallen hören können.“ Entsprechend hoch schraubten sich die Erwartungen beim Vortrag „Einen deutschen Dichter denken“. So hatte der Schauspieler den Abschluss seiner Gastprofessur überschrieben und als musikalischen Begleiter den Münchner Pianisten Arno Waschk mitgebracht.

Das Licht im Saal wurde abgeblendet, blaue Schatten schimmerten hinter Lesetisch und Flügel. Ein bühnenreifer Auftritt für Klaus Maria Brandauer, der mit einem Gedicht von Heinrich Heine und dessen Bericht „Französische Zustände“ vom 19. April 1832 begann. Darin schildert er den Ausbruch der Cholera in Paris. Wie sich das Volk erst übermütig auf der Straße tummelt, wie Maskenträger die Seuche und die Angst davor verspotten, wie Tote in buntscheckigen Narrenkleidern beerdigt werden. „Die Reichen fliehen, die Armen murren“, notiert Heine und gibt sein Schutzmittel preis: „Ich glaube an Flanell und eine gute Diät.“

Mit einem Lächeln die
Kurve zum Jetzt genommen

So vergeht eine gute halbe Stunde, bis Brandauer auf den Tisch klopft, lautstark „Harry“ ausruft und erstmals eigene Einlassungen zu Heinrich Heine vorträgt. „Harry Heine, was hat er denn gegen Harry gehabt, Harry ist doch eigentlich gut, ein schöner Name.“ Benannt wurde der 1797 Geborene nach einem englischen Freund seines Vaters. Der Name Harry, erläuterte Brandauer, sei Heine aber in seiner Kindheit vermiest, vergällt und vergiftet worden. Was er jedoch bewältigte: „Seine jüdische Abstammung zog stets eine Abhärtung seiner Persönlichkeit nach sich. Dadurch ist er wohl zum Dichter geworden“, bemerkte der 78-Jährige.

Dann nahm der Schauspieler mit einem Lächeln die Kurve zum Jetzt: „Was für eine Freude, ein Seelenbalsam, eine Genugtuung ist es, heute hier gemeinsam in der Heinrich-Heine-Universität zusammenzukommen, die 1988 nach ihm benannt wurde, nach dem aufgeweckten Judenbürschel.“ Damit zitierte Brandauer den ehemaligen kaiserlich-königlichen Korvettenkapitän Karl Renner, Sommergast seiner Großeltern in Altaussee in der Steiermark, wo Brandauer aufwuchs: „Durch ihn wehte mich ein Hauch altösterreichische Geschichte aus der versunkenen Monarchie an.“ Der 82-Jährige habe ihn, den 14-Jährigen, gefragt, was er denn lese. Die Antwort: Lederstrumpf, Mozartbriefe, Heinrich Heine. Es folgte der anerkennende und offenbar positiv gemeinte Ausruf: „Dieses begabte, aufgeweckte Judenbürschel!“ Der Schauspieler würdigte des Dichters Sensibilität, sein tiefes Empfinden, seine Ironie und überwältigenden Humor, seine Gabe der Erfassung, seine Durchdringung der politischen Zustände, seine Fähigkeit, punktgenau und stechend zu verletzen. Nach fünf Minuten fuhr er lesend fort mit einem Essay aus Heines Buch „Shakespeare‘s Mädchen und Frauen“. Des Dichters Fazit: „Es ist mir nicht recht, dass es ein Engländer ist, dem wir das weltliche Evangelium, wie man sein Werk nennen könnte, verdanken.“ Ein Gedicht von Heines Besuch bei der Mutter in Hamburg, die den Sohn mit Fragen löchert und ihm Unmengen Speisen auftischt, beschloss Brandauers Vortrag. Alles fein formuliert und unterhaltsam wiedergegeben. Aber wenig eigene Gedanken des Schauspielers oder Interpretationen über Heine. Schade eigentlich. Das Publikum hörte überwiegend eine Vor-Lesung im buchstäblichen Sinn. Warum er so entschied, erklärte Klaus Maria Brandauer, nachdem Anja Steinbeck ihm zum Dank eine Druckgrafik mit einem Heine-Portrait von Kai Hackemann überreicht hatte: „Ziemlich frech von mir, die Gastprofessur anzunehmen. Ich war kein Heine-Experte, wusste nur, der gefällt mir. Ich hab‘ ihn gebraucht, aus verschiedenen Gründen.“ Als er nachlas, was andere über Heine geschrieben hatten, bekam Brandauer die Lust und den Mut, tiefer einzutauchen. „Und dann habe ich mir geschworen, ich werde nur die notwendigsten Sätze von mir sagen. Ich werde ihn zu Wort kommen lassen, wo es nur geht.“