Erderwärmung Kleinbauer verklagt Energieriesen: Verhandlung fortgesetzt

Hamm · Muss sich RWE an Schutzmaßnahmen gegen eine mögliche Flutwelle durch einen Gletschersee in Peru beteiligen? Dies muss das Oberlandesgericht Hamm klären. Eine prominente Klimaaktivistin war auch da.

Die Klimaaktivistin Luisa Neubauer (re.) unterstützt die Klage des peruanischen Bauern Saúl Lliuya (Mitte) gegen den Energiekonzern RWE.

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Im Fall der Klimaklage eines peruanischen Bauern gegen den Energiekonzern RWE hat das Oberlandesgericht Hamm die mündliche Verhandlung fortgesetzt.

In dem Zivilprozess will der Landwirt und Bergführer Saúl Lliuya erreichen, dass sich der Energiekonzern RWE an Kosten für Schutzmaßnahmen gegen eine mögliche Flutwelle durch den Gletschersee Palcacocha beteiligt, die sein Haus am Fuße der Anden in der Stadt Huaraz treffen könnte. Die Flutwelle könne infolge der Erderwärmung etwa durch einen Gletscherabbruch oder einen sogenannten Felssturz ausgelöst werden. Der See liegt auf 4560 Metern Höhe. Das Haus liegt etwa 25 Kilometer unterhalb des Sees.

Kläger wird von Germanwatch unterstützt

Der Bergführer und Landwirt Saul Luciano Lliuya will, dass sich der Energiekonzern RWE an den Kosten für Sicherungsmaßnahmen gegen eine befürchtete Gletschersee-Flutwelle beteiligt, die seiner Ansicht nach durch den Klimawandel ausgelöst werden könnte. (Archivbild)

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Nach Ansicht des Klägers trägt RWE daran eine Mitverantwortung, weil das Unternehmen durch seinen Kraftwerkspark große Mengen Treibhausgase erzeugt. Der 44 Jahre alte Kläger wird von der Stiftung Zukunftsfähigkeit und der Umweltorganisation Germanwatch unterstützt. RWE hält die schon 2015 eingereichte Klage für rechtlich unzulässig.

Am zweiten Tag der mündlichen Verhandlung stand erneut das Gutachten der beiden Sachverständigen im Mittelpunkt. Ihr Gutachten sollte die Frage des Gerichts beantworten, ob in den nächsten 30 Jahren eine ernsthafte Beeinträchtigung des Hausgrundstücks des Klägers durch eine Überflutung oder eine Schlammlawine droht. Dies verneinten sie.

Gutachter berechneten Sicherheitspuffer mit ein

Die Gutachter machten deutlich, dass sie bei ihren Berechnungen mehrere Sicherheitspuffer eingerechnet haben. So habe man etwa angenommen, dass die Höhe des Gletscherseedamms durchgängig gleich hoch sei, obwohl der Damm in manchen Bereichen in Wirklichkeit höher sei, erklärte der Darmstädter Geowissenschaftler Rolf Katzenbach.

Auch beruhten die Berechnungen auf einer durchgehenden Seetiefe von 71 Metern. Tatsächlich gebe es aber auch Flachwasserbereiche mit einer Wassertiefe von 5 bis 15 Metern. Werde dies berücksichtigt, verringere sich die Menge des Wassers, die bei einem Gletscherseeausbruch überfließen könne, das sogenannte Überströmungsvolumen, um rund 80 Prozent.

Die Gutachter halten eine von dem Gletschersee ausgehende Flutwelle etwa durch eine Eislawine für unwahrscheinlich. Die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt von als realistisch eingeschätzten Überflutungsszenarien gaben sie für die kommenden 30 Jahre mit einem Prozent an. Kommt es doch zu einer Flutwelle, wird das Klägergrundstück nach Berechnungen der Gutachter höchstens 20 Zentimeter hoch überschwemmt. Dies mache der Bausubstanz nichts aus, hatte Katzenbach am Montag gesagt.

Kläger-Gutachter: Klimafaktor muss einbezogen werden

Die Anwälte und Gutachter des Klägers widersprachen den Sachverständigen und warfen ihnen eine Unterschätzung des Risikos vor. „Es gibt verschiedene Indikatoren, die mir zeigen: Dieser Berg ist in Bewegung“, sagte der Gutachter der Kläger, der Geotechniker und Permafrost-Experte Lukas Arenson von der kanadischen Geotechnik-Beratungsgesellschaft BGC. So würden etwa Bergführer häufig Steinschlag beobachten. Auch könne ein von den Gutachtern als lagestabil beurteilter Felsen oberhalb des Sees durchaus abbrechen. Als Beispiel zeigte er ein Foto einer Felsspitze aus dem gleichen Material aus den USA, von der ein Teil weggebrochen sein soll. Auch seien große Felsstürze möglich.

Arenson betonte die Auswirkungen der Erderwärmung auf den Permafrostboden, der oberhalb des Sees vorliegt. „Die Gebirgsfestigkeit nimmt durch die Permafrost-Erwärmung ab“, sagte er. In der Folge komme es im Hochgebirge zu Instabilitäten. In die Wahrscheinlichkeitsberechnungen müsse daher ein Klimafaktor eingerechnet werden. Dann könne die Wahrscheinlichkeit für eine Flutwelle auf 10 oder 20 Prozent steigen. Die Gutachter betonten, dass der Klimawandel bereits in den Berechnungen berücksichtigt sei.

Unter den Zuhörerinnen und Zuhörern war auch die Klimaschutz-Aktivistin Luisa Neubauer. „Der Fall von Saúl gegen RWE zeigt, dass die Hoffnung lebt - und kämpft“, hatte sie vor dem zweiten Verhandlungstag gesagt. Der Fall sei schon jetzt unabhängig vom Ergebnis historisch. „Er zeigt, dass Menschen auf der ganzen Welt bereit sind, den Kampf mit den fossilen Konzernen aufzunehmen.“

Mit einer Entscheidung war nach früheren Angaben am Mittwoch nicht zu rechnen.

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(dpa)