Offiziell steht „DaZ“ im Schulbetrieb für „Deutsch als Zweitsprache“; doch beim zehnjährigen Bestehen des DaZ-Fachtags bringen diese drei Buchstaben Isabel Vela Sanchez, die Sachgebietsleiterin des Kommunalen Integrationszentrums, zu neuen Auslegungen. Man könne DaZ auch mit „Deutsch als Zugehörigkeitsgefühl“ oder „Deutschland als Zukunft“ übersetzen, denn es geht beim Schulfach DaZ um den Unterricht in der deutschen Sprache für zugewanderte Kinder und Jugendliche aus allen möglichen Regionen dieser Welt.
In ihrem Grußwort zur Eröffnung des DaZ-Fachtags im Berufskolleg Glockenspitz stellte Silvia Fiebig, die Integrationsbeauftragte der Stadt Krefeld, heraus, dass es um weit mehr als „nur“ Sprachunterricht handele. Es gehe um Chancengerechtigkeit, ein gesundes Aufwachsen von Kindern und ihrer Stärkung sowie einem Teilen unserer Grundwerte: „Wir dulden keinen Alltagsrassismus, wir zeigen ihm die rote Karte.“ Mit Freude sieht Fiebig auch die bundesweiten Nachfragen zum Krefelder DaZ-Fachtag.
110 Personen kamen zu der Tagesveranstaltung mit Workshops für die Weiterbildung von Lehrkräften. Karim Fereidooni, Professor an der Ruhr-Universität-Bochum, begann mit seinem Impulsvortrag „Rassismuskritik: Was muss ich wissen? Was muss ich tun? Was kann meine spezifische Institution leisten?“ Aus aktuellen wissenschaftlichen Studien und trotzdem sehr lebensnah sowie aus einem großen persönlichen Erfahrungsschatz konfrontierte er das Publikum mit Entwicklungen und aktuellen Ausprägungen verschiedener Formen des Rassismus. Bei den dargestellten Beispielen und kritischen Blicken in die eigene Vergangenheit musste man ihm schließlich zustimmen: „Wir sind alle rassistisch sozialisiert worden“. Einer seiner Schlüsse aus den Fakten lautet: „Sie dürfen nicht neutral sein! Sie müssen sich positionieren im Sinne des Grundgesetzes!“ Um das Bewusstsein von Lehrkräften zu stärken, sollte es für sie regelmäßige Fortbildungen geben, sollten Schulen bzw. Institutionen einen entsprechenden Verhaltenskodex aufstellen und fügt hinzu: „Eine Wissenschaftskommunikation ist wichtig, aber es lassen daraus keine Rezepte oder einfache Lösungen ableiten.“
Zahllose Ausprägungen von Gewalt und Diskriminierungen
Einer der fünf Workshops des DaZ-Fachtags beschäftigte sich mit dem Thema „Gewaltprävention durch Empowerment“. Die Psychologin Sandra Lohrey und die Oberstudienrätin Sabine Merten sensibilisierten im Auftrag des Psychologischen Diensts der Stadt Krefeld für die zahllosen Ausprägungen von Gewalt und Diskriminierungen sowie ihren Ursachen. Wesentlich für Veränderungen seien unter anderem ein „Klima der gegenseitigen Wertschätzung und Achtung von Grenzen, grenzachtende Umgangsformen auch in der Sprache untereinander, ein Vorbild sein sowie die Formulierung klarer Werte und Normen“. Zur Stärkung (Empowerment) der Kinder und Jugendlichen zeigten die Referentinnen praktische Beispiele auf.
Für die Probleme rund um den Beginn der Alphabetisierung im DaZ-Unterricht bot Andrea Schäfer-Jung von der Universität Duisburg-Essen einen praxisorientierten Einstieg. Dabei stellte sie gleich klar, dass der Spracherwerb für die Schüler mit internationaler Familiengeschichte nicht allein Teil des DaZ- Unterrichts sein dürfe, sondern Teil aller Fächer sein müsse. Sie sensibilisierte für die zahlreichen Hindernisse, die Kinder und Jugendliche mit der deutschen Sprache haben können, wie ihren Konsonantenreichtum (Beispiel Strumpf – ein Vokal und fünf Konsonanten) oder die anatomischen Probleme der Mundmotorik, wenn Buchstaben beziehungsweise Laute gelernt werden müssen, die es in der Muttersprache gar nicht gibt. „Üben, üben, üben“, lautet ihr Rat und viele Wiederholungen seien notwendig – nach wissenschaftlichen Studien zur Aufmerksamkeitsspanne von Kindern und Jugendlichen im digitalen Zeitalter sogar 60 bis 80 Mal.
In einem kleinen Rückblick auf die aktuellen Entwicklungen in der Praxis des DaZ-Unterrichts und den Herausforderungen nennt María Luque Ramirez als verantwortliche Organisatorin des Fachtags vier Handlungsfelder: „Die Kollegen brauchen noch mehr Fortbildungen. Viele Probleme entstehen aus den politischen Spannungen, die aus den Herkunftsländern in den Klassenraum gebracht werden. Aber auch religiöse Konflikte spiegeln sich in der Schule wider. Wie können wir mit traumatisierten Kindern umgehen?“ Der DaZ-Unterricht stellt entschieden mehr dar als „nur“ das - nicht freiwillige – Lernen der deutschen Sprache.