Gericht 27-Jähriger greift im Drogenrausch Polizisten an

Krefeld. „Das war ein komplett anderer Mensch.“ So beschreibt der Vater des Angeklagten dessen Auftreten in der Tatnacht. Unter starkem Drogeneinfluss — benommen und nicht fähig, sich zu artikulieren — war der 27-Jährige in den Kiosk seines Vaters gekommen.

Foto: A. Bischof

Nachdem der den Krankenwagen gerufen hatte, kam es zu einem Polizeieinsatz, bei dem der 27-Jährige zwei Beamte mit einem Messer verletzte. Vor dem Amtsgericht wurde er nun wegen „fahrlässigen Vollrausches“ zu einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung verurteilt.

Er kann sich nur noch an Teile von dem erinnern, was in der Silvesternacht passiert ist. In seiner Wohnung hatte der Angeklagte bereits an den beiden Tagen davor große Mengen Amphetamine konsumiert. Mehr als sonst: Wenn er üblicherweise nur „ein bis zwei Nasen“ ziehe — etwa 0,1 Gramm wie er sagte — waren es in diesen Tagen insgesamt drei bis fünf Gramm. Am Abend des 31. Dezember habe er sich dann, wie jeden Tag, auf den Weg zum Kiosk seines Vaters gemacht. „Schon auf dem Weg habe ich Angstzustände bekommen“, sagte der Angeklagte vor Gericht.

Im Kiosk angekommen, wollte er sich etwas zu Essen machen. „Ich wollte mit dem Messer eine Packung Würstchen aufschneiden.“ Sein Vater hatte aus Sorge um seinen benommen wirkenden Sohn einen Krankenwagen gerufen. Am Telefon hatte er ein Messer erwähnt. Daher verständigte die Leitstelle auch die Polizei. Als die kam, eskalierte die Situation. Die Beamten forderten den Angeklagten auf, das Messer, das er fest in der Hand hielt, fallenzulassen. „Ich war so verkrampft. Ich konnte es nicht loslassen“, erinnerte sich der 27-Jährige. Die Polizei setzte Pfefferspray ein.

„So etwas habe ich noch nie gesehen. Er hat einfach gar nicht darauf reagiert“, sagte einer der Beamten, der als Zeuge vor Gericht war. Anschließend sei ein Feuerlöscher zum Einsatz gekommen. Nach zwei Stößen war der Raum eingenebelt. Nichts sei mehr zu sehen gewesen. „Ich wollte da raus“, sagte der Angeklagte, „dabei habe ich wohl einen Polizisten verletzt.“ Nach Angaben der Beamten habe er zwei Mal mit dem Messer auf einen der Kollegen eingestochen. Der erste Stich ging in den Nacken, den zweiten konnte ein weiterer Kollege mit der Hand abfangen.

Dann habe man ihn mit massivem Polizeieinsatz — es waren acht Beamte nötig — zu Boden gebracht. Zwischen der Tat und der Verhandlung verbrachte der Angeklagte sechs Monate in stationärer, psychiatrischer Behandlung. Dort hatte Psychiater Stephan Roloff-Stachel, der vor Gericht als Gutachter auftrat, Zeit, ihn kennenzulernen. „Anfangs war er klar in einem psychotischen Zustand“, sagte der Experte. Der habe sich mit der Zeit aber gebessert. Daher geht Roloff-Stachel von einer Psychose aus, die durch Drogen verursacht wurde. Im Moment der Tat sei er zu keiner Realitätseinsicht mehr fähig gewesen. Daher könne ihm versuchter Totschlag sowie gefährliche Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, die in der ursprünglichen Anklage festgehalten waren, nicht vorgeworfen werden.

Da der Angeklagte die Tat einräumte und seither alle Drogentests negativ waren, verurteilte ihn das Gericht zu einem Jahr und sechs Monaten. Die Strafe wird zur Bewährung ausgesetzt. Zu den Auflagen gehört, dass er regelmäßigen Kontakt mit seinem Bewährungshelfer pflegt und jährlich drei unangekündigte Drogentests durchführen lässt. „Sie vertragen dieses Zeug einfach nicht, also Finger davon“, sagte der Richter abschließend.