Angeklagter: Staatsanwälte kennen die Realität in Unternehmen nicht

Im Prozess um eine angebliche Lustreise des SWK-Aufsichtsrates macht einer der Beschuldigten seiner Empörung Luft.

Krefeld. Seine persönliche Stellungnahme hat sich der frühere SPD-Fraktionschef Dieter F. im Prozess um eine angebliche Lustreise des Stadtwerk-Aufsichtsrates bis fast zum Schluss der Beweisaufnahme aufgehoben. Jetzt wird er deutlich: "Das ist alles Unsinn, den sich ein Staatsanwalt ausgedacht hat, der nur den Buchstaben des Gesetzes kennt und nicht die Realität in den Unternehmen", sagt der 69-Jährige. "Die Anklage ist eine Frechheit. Ich bin darüber zutiefst empört", sagt er in Richtung der Staatsanwältin, die aber gar nicht aufblickt, während sie sich Notizen macht.

Voraussichtlich in der ersten August-Woche will der Krefelder Amtsrichter sein Urteil gegen F., SPD-Ratsherrn Jürgen Hengst und die SWK-Sekretärin und Arbeitnehmervertreterin im Aufsichtsrat, Claudia K., sprechen. Die Vorwürfe: Vorteilsannahme wegen der Einladung zur dreitägigen Informationsreise nach Norwegen durch die Firma Ruhrgas und zu einem Museumsbesuch mit Abendessen.

Außerdem Untreue wegen einer Veranstaltung auf SWK-Kosten in der Zeche Zollverein. Dort wurde der alte Stadtwerke-Vorstand verabschiedet und der neue begrüßt, zudem hatte sich der Aufsichtsrat neu zusammengesetzt. Nach gerade vier Monaten als Mitglied in dem Gremium habe sie sich keine Gedanken gemacht, als sie der Einladung gefolgt sei, sagt K.

Im Zeugenstand beantwortet der Aufsichtsratsvorsitzende und SPD-Fraktionschef Ulrich Hahnen die Fragen des Richters. Als Prüfer von Großunternehmen habe er die Einladung auf die Bohrinsel nach dem Steuerrecht abgeklopft und keine Bedenken gehabt. Hätten die SWK-Juristen solche geäußert, wäre das Thema für ihn erledigt gewesen. Doch dem war nicht so, wie der damalige SWK-Vorstand Klaus Evertz - zuständig auch für die Rechtsabteilung - ebenfalls als Zeuge betont. "Es war in der Branche üblich, dass Aufsichtsräte eingeladen wurden. Wir haben uns ja sogar darum bemüht."

Schließlich sollte dies der Information und Fortbildung der Aufsichtsratsmitglieder dienen. Für Ulrich Hahnen wiederum war wichtig, mit den mitreisenden Vertretern der Stadtwerke Willich ins Gespräch zu kommen, stand doch zur Debatte, mit dem Versorger aus der Nachbarstadt eine gemeinsame Vertriebstochter zu gründen. "Das geht besser beim Frühstück als bei einem Arbeitstreffen", so Hahnen.

Die Kosten von 188000 Euro, die das Gericht auflistet, bestätigt der Vertriebschef der Ruhrgas (heute Eon). Vier bis fünf Reisen pro Jahr habe er organisiert, sein Unternehmen habe dies mindestens seit Anfang der 90er Jahre ermöglicht. Dabei sei es egal gewesen, ob gerade Vertragsverhandlungen geführt wurden. "Darüber war ich nicht informiert."

Er sei damals davon ausgegangen, dass die SWK die Rechnung zahlten, so Dieter F. Als Hochschullehrer habe ihn die Rohstoffquelle interessiert. "Auf den Kontakt zu vielen Mitreisenden hätte ich liebend gern verzichtet. Die haben mich mal als SPD-Fraktionsvorsitzender abgeschossen." Die Einladung zum Abendessen habe ihm keinerlei Vorteile gebracht, sagt F.: "Ein Abendessen kann ich selber bezahlen, dafür brauch’ ich keine Ruhrgas."