Gericht Angeklagter: War blind vor Wut
Die Verteidiger befragten stundenlang ihren Mandanten. Ausgerechnet beim Schildern der Tat verlässt ihn die Erinnerung.
Krefeld. Der vierte Prozesstag gegen den 24-jährigen, des versuchten Mordes Beschuldigten war in jeder Beziehung ein besonderer. So befragten die drei Verteidiger stundenlang ihren eigenen Mandanten, was man üblicherweise mit Entlastungszeugen macht. Dabei belastete sich der Beschuldigte eher selbst. „Ich war wie von Sinnen, blind vor Wut und hatte mich nicht unter Kontrolle“, gestand er. „Ich wollte ihn nur stechen und hatte nicht vor, ihn zu töten.“
Er habe den Kopf seines Kontrahenten nach unten gedrückt und mit dem Messer von oben auf ihn eingestochen. Wie oft er zugestochen und an welchen Stellen er sein Opfer getroffen hat, weiß er nicht, auch nicht, wie das Messer zerbrochen ist und wie er es am Tatort verloren hat. Registriert habe er allerdings, dass der Geschädigte verletzt war und blutete. Er habe dies auch bedauert. Schließlich habe er seinen ehemaligen Freund dazu bewegt, nach Deutschland zu kommen und ihm dabei geholfen, bei seinem Arbeitgeber eine Stelle zu bekommen. Das Messer habe er zur Absicherung mitgenommen, weil er eine Auseinandersetzung befürchtet habe.
Die Verteidiger hatten den Antrag gestellt, ihren Mandanten medizinisch begutachten zu lassen. Damit wollten sie eine eingeschränkte Schuldfähigkeit nachweisen. Der Beschuldigte sei kurz vor der Tat von seiner Ex-Frau und zwei weiteren Begleiterinnen übel beleidigt und provoziert worden. Das habe bei ihm einen „Affektstau“ und eine psychische Ausnahmesituation bewirkt. Außerdem habe er seine soziale Bindung verloren: Frau, Kinder und bester Freund weg. Das Gericht lehnte den Antrag ab.
Sein ursprüngliches Tatmotiv war schon am vorherigen Verhandlungstag ins Wanken geraten. Er war überzeugt, dass das Opfer seine Kinder geschlagen habe, und wollte es deshalb stellen. Die von ihm benannte Zeugin hatte bestritten, ihm von den angeblichen Schlägen berichtet zu haben. Am Mittwoch stellte er diese Zeugin als Lügnerin hin. Viele seiner Aussagen widersprechen denen anderer Zeugen. So zeichnen die Ex-Frau und die Schwiegermutter ein völlig anderes Bild von seiner Person.
Die Ex-Frau berichtete, sie sei während der Beziehung von ihrem Mann immer wieder verprügelt worden, sogar während der drei Schwangerschaften und nach der Trennung. Außerdem habe er sie regelmäßig betrogen, aber sie habe es lange nicht geschafft, sich von ihm zu trennen. Auch seine leiblichen Kinder habe er aus erzieherischen Gründen geschlagen. Ihm war gerichtlich untersagt, sich seiner Frau und den Kindern zu nähern. Für die Ex-Frau stehen Eifersucht und verletzte Eitelkeit als Tatmotiv fest.
Das Urteil soll am Freitag verkündet werden.