Krefeld Angst vor Wohnungsprostitution

Nach der Ausweitung des Sperrbezirks im Umfeld der Neuen Ritterstraße droht eine Verlagerung der Sexarbeit hinter verschlossene Türen.

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Krefeld. Es gibt wohl kaum ein Thema, das in den vergangenen Jahren von den Mitgliedern des Ordnungsausschusses so heftig diskutiert wurde, wie der Straßenstrich an der Neuen Ritterstraße.

Nach monatelangen Kontrollen, öffentlichen Diskussionsabenden und Anhörungen von Anwohnern zu dem Thema, entschied die Landesregierung in Düsseldorf Anfang Dezember, die Straßenprostitution im Umfeld der Neuen Ritterstraße ab dem 22. Dezember grundsätzlich zu verbieten. Das Ende der Prostitutionsproblematik ist dieser Beschluss noch lange nicht.

Weder Polizei noch Verwaltung können absehen, welche Folgen sich durch die Ausweitung des Sperrgebiets ergeben. „Über eine Verlagerung der Straßenprostitution in andere Bereiche kann derzeit keine Prognose abgegeben werden“, sagt Stadtsprecher Timo Bauermeister.

Die Bezirksregierung knüpft die Ausweitung des Sperrbezirks an die Bedingung, dass sie bis Ende 2017 aus Krefeld einen Bericht zum Erfolg dieser Maßnahme erhält, da auch „Verdrängungseffekte“ durch das zeitlich unbefristete Verbot beobachtet werden müssten. Eine Verlagerung in umliegende Straßenzüge, aber auch in Wohnungen sei denkbar.

Gerade die Wohnungsprostitution bereitet Tanja Himer Sorgen, wie die Geschäftsführerin des Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) in der jüngsten Sitzung des Ordnungsausschusses erklärte.

Die SkF-Mitarbeiter kümmern sich um die Betreuung der Prostituierten, bieten ihnen Hilfen und Ausstiegsmöglichkeiten an. Sei es auf dem Straßenstrich immer mal wieder möglich gewesen, mit den Frauen in Kontakt zu treten, sei dies bei einem Großteil der Frauen, die ihre Dienste in Wohnungen verrichten, schwieriger. „In vielen Wohnungen herrschen schlechte Zustände. Neben den Prostituierten sind in manchen Fällen auch die Zuhälter vor Ort, um das Geschäft zu überwachen“, berichtet Himer.

40 Frauen sollen derzeit in Wohnungen in Krefeld sexuelle Dienste anbieten. Die Adressen sind den Verantwortlichen von Polizei, Verwaltung und SkF bekannt. Die Frauen arbeiten in Wohnungen im gesamten Stadtgebiet, bieten Freiern dort ihre Dienste an.

Zuletzt hatte auch Polizeipräsident Rainer Furth bemängelt, dass die „offen sichtbare Prostitution im Bereich Ritterstraße“ überall Gesprächsthema sei, über das „viel massivere Problem“ der Wohnungsbordelle zwischen Alter Linner Straße und Seidenstraße dagegen „kaum geredet“ werde.

Während auf dem Straßenstrich nach Angaben der SkF-Geschäftsführerin bei Nachtfahrten bis zu 14 Frauen aus Rumänien, Deutschland und Russland angetroffen wurden, sollen in Erotik-Clubs derzeit gut 20 Prostituierte aus Italien, Spanien, Nigeria, der Türkei und Rumänien arbeiten.

Den größten Teil machen demnach die 40 Frauen aus, die in Wohnungen arbeiten. 80 Prozent dieser Frauen sollen aus Rumänien stammen. „Generell herrscht eine hohe Fluktuation“, sagt Himer. Der Polizeipräsident beschreibt die Prostitution als „überwiegend menschenunwürdig“.

Auch Himer erklärt in der Ordnungsausschuss-Sitzung, dass wohl rund 90 Prozent der Prostituierten in Krefeld wegen wirtschaftlichen Zwängen oder psychischer und körperlichen Gewalt zur Ausübung ihrer Arbeit gezwungen würden.

CDU-Ratsfrau Simone Roemer sieht darin eine Verfehlung der Verwaltung und wirft ihr „Gleichgültigkeit, Ignoranz und Tatenlosigkeit vor“, weil sie zulasse, dass Frauen ihren Dienst „unter unwürdigen gesundheitlichen, hygienischen und sozialen Bedingungen in Wohnungen und bordellähnlichen Betrieben verrichten“. Sie fordert diese Situation durch zusätzliche Kontrollen zu unterbinden.

Kritik gibt es für diese Forderung von der SPD. Ratsherr Hans Butzen widerspricht Roemer energisch. Der Vorwurf, die Stadtverwaltung zeige sich untätig gegenüber der Wohnungsprostitution, sei ebenso falsch wie haltlos. „Frau Roemer sollte es bekannt sein, dass der Fachbereich Ordnung nur innerhalb des Sperrbezirks gegen Wohnungsbordelle vorgehen kann. Der Fachbereich befindet sich nicht nur wegen dieser Problematik in einem ständigen Austausch mit der Polizei“, erläutert Butzen.

Der SPD-Politiker hofft, dass sich durch das Inkrafttreten des neuen Prostitutionsgesetz am 1. Juli 2017 die Situation von allein regelt. „Ab diesem Zeitpunkt sind Anmeldungen gesetzlich erforderlich, bei denen Personen, die der Prostitution nachgehen, mitteilen müssen, wo sie ihren Beruf ausüben. Insofern dies in Wohnungen erfolgt, wird geprüft, ob durch die Bauaufsicht entsprechende Nutzungsänderungen für diese Wohnungen erfolgt sind“, sagt Butzen.

Er betont, dass neben den ordnungspolitischen Maßnahmen die soziale Komponente nicht aus dem Blick gelassen werden dürfe. „Menschen bieten aus vielfältigen Gründen ihre sexuellen Dienstleistungen an; freiwillig und unfreiwillig, als Beruf und aus wirtschaftlichen Erwägungen oder schlichtweg aus Not. Darüber darf und kann man weder moralisch noch sittlich urteilen. Vielmehr ist es die gesellschaftliche Verantwortung, Hilfe zur Selbsthilfe dann anzubieten, wenn es erforderlich ist.“ Dies gelte insbesondere für Frauen, „die sich aus persönlicher Not prostituieren und erst Recht bei Frauen, die dazu gezwungen werden“.