Ausbeutung der Tagelöhner breitet sich aus

Arbeitskreis für Zuwanderung und Integration legt Bericht vor: Junge Männer verkaufen ihre Arbeitskraft für 3,50 Euro je Stunde. Das Geschäft mit der Armut blüht.

Krefeld. Menschenhandel ist auch in Krefeld Alltag und beschränkt sich keineswegs auf die Straßenprostitution. Ante Franjicevic beschäftigt sich seit Jahren mit diesem Thema und legt dem Arbeitskreis für Zuwanderung und Integration „erschreckende Erkenntnisse“ vor. „Ich habe es nicht für möglich gehalten, dass Menschenhandel vor meinen Augen und vor unseren Haustüren geschieht“, sagte der Vorsitzende des Arbeitskreises in der jüngsten Sitzung des Gremiums im Rathaus.

Deshalb habe er gemeinsam mit Sexarbeiterinnen und Männern anderer Berufe die Initiative „Marija Magdalena“ gegründet, die einzige Prostituierten-Selbsthilfe in Krefeld. Frauenhandel und Zwangsprostitution von jungen Frauen, die vorwiegend aus Südosteuropa stammen, sind laut Franjicevic ein „zunehmend gravierendes Problem unserer Gesellschaft“. Angesiedelt sei dies derzeit als Straßenstrich vor allem an der Oppumer-, Ritter- und Oberdießemerstraße.

Neben den Wanderarbeiterinnen auf dem Straßenstrich nehme jedoch auch der Arbeiterstrich mit Akteuren aus den gleichen Ländern zu, berichtete der Kroate Franjicevic. „Das ist jeden Morgen auf dem Ost-, Süd- oder Westwall zu beobachten. Da sitzen junge Männer auf den Bänken und warten. Dann kommen Pkw oder Kleinbusse angefahren und laden jedes Mal zwei, drei oder vier dieser Männer ein.“

Die Tagelöhner würden dann zu Arbeitsstätten auf dem Bau, zur Garten- oder Reinigungsarbeit oder zum Entladen von Containern gebracht. Der Stundenlohn liege bei 3,50 Euro. Ralf Köpke, DGB-Chef in Krefeld, bestätigt das: „Ja, das stimmt, es gibt diese Szene.“ Auch Hans Schneider, Vertreter der Polizei im Arbeitskreis, nickt. „Wir beobachten das seit geraumer Zeit.“

Die Angst vor den Behörden und den Drahtziehern des Menschenhandels verhindere, dass die Betroffenen Widerstand leisten. Hinter vorgehaltener Hand wird von „Mafia-Strukturen“ gesprochen. Ziel sei die Ausbeutung der Tagelöhner. Verwiesen wird auch darauf, dass es nicht nur unbedeutende Krefelder Kleinfirmen oder dubiose Subunternehmer sind, die die billigen Arbeitskräfte in Anspruch nehmen.

„Das Geschäft mit der Armut blüht“, stellte Ante Franjicevic im Arbeitskreis fest. Armutsemigranten und Wanderarbeiter seien „eine leichte Beute für Kriminelle“. Schlepper versprechen das Rundumsorglos-Paket mit der Reise nach Krefeld, Unterkunft, Arbeitsstelle.

Als Beispiel nennt er den Griechen Jannis Zoumis (Name geändert). Dem bot ein anderer Migrant ein Zimmer im Krefelder Westen an. Es entpuppte sich als unzumutbare Behausung. Monatsmiete 600 Euro, bar auf die Hand. Nach zwei Wochen setzte der Vermieter Jannis vor die Tür. Mittlerweise lebt er in einer Obdachlosenunterkunft der Diakonie. Eine Briefkastenadresse, die bei Behörden verlangt wird, werde für 200 Euro verkauft.

Franjicevic wies zudem auf ein anderes Problem hin: „Viele der Männer und Frauen sind abgemagert und krank. Wir müssen ihnen zur Seite stehen, insbesondere jetzt im Winter.“ Einen entsprechenden Antrag legt Franjicevic dem Arbeitskreis vor. Unter anderem anonyme Schutzwohnungen für Frauen, die aus der Prostitution aussteigen wollen, und eine mobile Anlaufstelle für Wanderarbeiter werden darin gefordert. Der Antrag soll in den zuständigen Ausschüssen des Rates behandelt werden.