Ausbruch gibt Rätsel auf
Ein verurteilter Geiselnehmer verschwindet spurlos aus dem Gefängnis an der Nordstraße. Niemand weiß, wie er das geschafft hat.
Krefeld. Im Knast herrscht Rätselraten. Nach der Flucht von Rahim Direkci aus dem Gefängnis an der Nordstraße (die WZ berichtete) ist völlig unklar, wie der 38-Jährige aus der Untersuchungshaft türmen konnte. Der Mann war erst am 24. September wegen zweier bewaffneter Banküberfälle - in einem Fall sogar mit Geiselnahme - zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Anstaltsleiterin Katja Grafweg: "Wir haben die ganze Nacht hindurch alles von rechts auf links gedreht. Wir konnten ihn nicht finden.
Direkci war am Freitagabend um 18 Uhr zum letzten Mal gesehen worden. Da hatte ihm ein Justizvollzugsbeamter beim so genannten Umschluss die Zellentür geöffnet. "Das ist eine Freizeitmaßnahme. Häftlinge können dann in die Zelle eines anderen und dort beispielsweise Karten spielen, sagt Katja Grafweg, die als Chefin der Justizvollzugsanstalt Willich auch für die Untersuchungshaft in Krefeld zuständig ist.
Mitarbeiter kann sich an den Einschluss nicht erinnern
Während das Aufschließen dokumentiert wird, gilt dies fürs Einschließen in der Zelle eines anderen Häftlings nicht. "Der Kollege, der den Haftraum des 38-Jährigen geöffnet hat, kann sich daran noch erinnern. Seine Pflicht sei es dann, denjenigen in der anderen Zelle wieder einzuschließen. "Daran kann er sich allerdings nicht erinnern, sagt Grafweg.
Dass Direkci verschwunden war, fiel erst beim allgemeinen Einschluss um 20.30 Uhr auf. Vom Dachgeschoss bis zum Keller suchte auch die Polizei mit Spürhunden - ohne Erfolg.
Wie die Flucht gelungen sein mag, kann sich Katja Grafweg nicht erklären: Aus der Zelle sei Direkci ins so genannte Hafthaus gekommen. "Um von dort ins Freie zu gelangen, müssen mehrere Türen und Mauern überwunden werden. Ein Schlüssel fehle jedenfalls nicht: "Das wird genau dokumentiert, und die nehmen unsere Mitarbeiter auch nicht mit nach Hause.
Häftling mit außergewöhnlich starkem Freiheitsdrang
Die Abläufe im Gefängnis standen am Montag auch im Mittelpunkt der Polizei-Ermittlungen. Die weiß aus den bisherigen Strafverfahren von einem "außergewöhnlich starken Freiheitsdrang des Mannes. Der saß noch in der Untersuchungshaft, da das Urteil vom 24. September noch nicht rechtskräftig ist. "Der 38-Jährige hat Revision eingelegt, erklärt Landgerichtssprecher Tim Buschfort. Bis alle Rechtsmittel ausgeschöpft sind, kann er somit in der komfortableren Untersuchungshaft bleiben.
Als ganz ungefährlich dürfte Rahim Direkci jedenfalls nicht einzuschätzen sein. Bei dem Überfall 2004 in Duisburg war er morgens in eine Commerzbank-Filiale eingebrochen und hatte die erste Angestellte, die vor Geschäftsöffnung kam, als Geisel genommen, sagt Polizeisprecher Wolfgang Lindner. Als die Frau fliehen konnte, suchte der Räuber das Weite. In Fischeln ging er am 23. Februar dieses Jahres in der gleichen Weise vor. Er hebelte ein Fenster der dortigen Volksbank auf und wollte auch hier die erste zur Arbeit kommende Mitarbeiterin überwältigen. Die Frau hörte aber verdächtige Geräusche aus dem Keller und rief die Polizei. Beamte konnten den Täter nach einer filmreifen Flucht in Oppum festnehmen. Bei den Überfällen hatte der Mann stets eine Pistole dabei.
Beim Landgerichtsprozess war dem 38-Jährigen auch ein Überfall auf die SEB-Bank an der Rheinstraße zur Last gelegt worden, wo einer Kassierin eine Schusswaffe an die Schläfe gehalten wurde und der Täter 173.210 Euro erbeutet hatte. "Die Tat war ihm aber nicht nachzuweisen, so Buschfort.
Ein ganzes Kommissariat der Krefelder Polizei fahndet nun nach dem Ausbrecher, der zuletzt keinen festen Wohnsitz hatte. Die Taten will er, wie er dem Gericht erzählte, wegen drückender Schulden begangen haben: Durch Drogen- und Spielsucht stand er mit 45.000 Euro in der Kreide und hatte den Überfall in Fischeln als "letzte Möglichkeit gesehen.