Zoo Zoos sind eine moderne Arche Noah für bedrohte Tierarten

Krefeld · Interview Direktor Wolfgang Dreßen spricht über die Notwendigkeit von Zuchtprogrammen und Schutzprojekten.

Zoodirektor Wolfgang Dreßen mit den beiden Goodfellow-Baumkängurus, die zu den gefährdeten Tierarten zählen und hier gezüchtet werden.

Foto: Peter Kummer

Von geschätzt acht Millionen Tier- und Pflanzenarten weltweit sind laut des Weltbiodiversitätsrats der Vereinten Nationen derzeit allein eine Million vom Aussterben bedroht. Dazu zählen auch die Goldenen Löwenäffchen, die der Krefelder Zoo beheimatet. Das Thema Artenschutz bekommt vor diesem Hintergrund für zoologische Gärten eine noch größere Bedeutung. Deshalb war der vermutlich zu den letzten auf der Welt lebenden gehörige Berg-Anoa im Krefelder Zoo auch Gesprächsstoff auf der Tagung der Vereinigung europäischer Zoos und Aquarien (EAZA) im vergangenen September in Valencia gewesen. Krefelds Zoodirektor Wolfgang Dreßen ist dort gewesen. Welche Aufgaben im Hinblick auf Artenschutz auf die Zoos im Allgemeinen und den Krefelder Zoo im Besonderen zukommen, darüber haben wir mit ihm gesprochen.

Wie haben Sie die Nachricht vom massiven Artensterben aufgenommen?

Wolfgang Dreßen: Mit Entsetzen. Das Artensterben ist seit Jahrzehnten bekannt; was neu ist, ist die alarmierende Geschwindigkeit der Zerstörung von Lebensräumen – sowohl von Fauna wie Flora. Unter dem Einfluss des Menschen schreitet das Artensterben zehn- bis 100-fach schneller fort als in den zurückliegenden zehn Millionen Jahren. Schon 1992 wurde in Rio auf einer Konferenz der Vereinigten Nationen ein völkerrechtlicher Vertrag beschlossen, die biologische Vielfalt zu schützen. Auch Deutschland hat diesen Vertrag ratifiziert. 27 Jahre später zeigt eine neue Studie, dass die Ziele nicht nur nicht erreicht sind, sondern der Artenschwund sogar noch schneller voranschreitet. Die Zoos setzen sich seit Jahrzehnten im Artenschutz ein, und mittlerweile auch beim Schutz von Lebensräumen. Doch ohne Partner und Netzwerke können sie es nicht schaffen!

Sie besuchen regelmäßig internationale Zoo-Kongresse, wie den der EAZA. Wie wichtig sind solche Treffen?

Dreßen: Sie dienen dem Austausch von Fachwissen im Zoo-Management, liefern mittlerweile aber immer mehr Infos zu konkreten Artenschutzprojekten im Zoo wie auch im Freiland. Insbesondere unser zoologisches und veterinärmedizinisches Fachwissen ist entscheidend für den Erfolg vieler Schutzprojekte, besonders bei Fragen der Wiederausgliederung.

Wofür steht die Abkürzung EAZA?

Dreßen: Die European Association of Zoos und Aquarien (EAZA) ist die Ebene, auf der Europäische Zoo-Standards in der Zootierhaltung erarbeitet und insbesondere die Erhaltungszuchtprogramme (EEP) koordiniert werden. Der Krefelder Zoo nimmt an 24 EEPs teil und an über 20 weiteren Zuchtbüchern. Gerade die EEPs mit hochbedrohten Tierarten müssen den strikten Vorgaben der Zuchtbuchführung folgen. Ziel dieser Programme ist der Aufbau genetisch gesunder Zoo-Populationen, mit der möglichen Perspektive einer Wiederausbürgerung; somit werden Zoos zu einer Arche Noah für hochbedrohte Arten.

Welche Arten zählen im Krefelder Zoo dazu?

Dreßen: Unsere drei Menschaffenarten, die Sumatra-Tiger, die wir vermutlich ab dem nächsten Jahr wieder hier haben werden, die Ameisenbären, die Humboldt-Pinguine wie auch die Spitzmaul-Nashörner. Auf dem EAZA-Kongress wird der aktuelle Stand all dieser Zuchtprogramme vorgestellt und parallel über die entsprechenden Artenschutzprojekte berichtet. So war der hochbedrohte Berganoa Idris genauso Thema wie Mandela, Enkel „unseres“ Nashorn-Paares Usoni und Nane.

Was ist das Besondere daran?

Dreßen: Spitzmaulnashörner galten 2007 in Ruanda als ausgestorben. 2019 wurde nun ein Programm gestartet, diese Art dort wieder auszuwildern. Mandela wurde in einem dänischen Zoo geboren und wurde ausgewählt, mit vier weiteren ihrer Gattung im gesicherten Akagera National Park in Ruanda zu leben. Diese Wiederausbürgerung erfolgte nach langer Vorbereitung in diesem Sommer.

Angesichts der jetzigen Studie sind Spitzmaulnashörner nicht die einzigen, die für immer von unserer Welt verschwinden könnten. Kommen da nicht noch viel größere Aufgaben auf die Zoos zu?

Dreßen: Beim Ausmaß des Artensterbens ist das Modell Zoo unmöglich allein für alle Wirbeltierarten geschweige denn für Nicht-Wirbeltiere wie etwa die Insekten anzuwenden. Die Zoos sind am Rande ihrer Kapazitäten angekommen. Es geht nun um einen Gesamtansatz, für den alle Player an einen Tisch zu bringen sind, die Zoos, Naturschutzorganisationen, Vereine, aber auch private Tierhalter. Es gilt, diese umfassende Kooperation mit gesellschaftlichem Engagement zu stärken, aber auch die Unterstützung der Zoos im Naturschutz vor Ort.

Wie sieht der aus?

Dreßen: Die Zoos in Münster und Köln beispielsweise finanzieren eigene Projekte in Vietnam und Kambodscha, oder der Zoo von Zürich auf Madagaskar. Soweit ist Krefeld leider noch nicht. Dabei werden konkrete Schutzprojekte vor Ort finanziell unterstützt, aber auch die Wiederausbürgerung von den inzwischen sehr seltenen Goldenen Löwenäffchen in neu angelegten Schutzgebieten in den Küstenregenwäldern Brasiliens.

Der Krefelder Zoo sammelt doch auch für Schutzprojekte, ist das denn nicht vergleichbar?

Dreßen: Natürlich unterstützen wir sieben Naturschutzprojekte von bedrohten Tierarten, die wir hier im Zoo haben. Doch das sind kleine vierstellige Euro-Beträge im Jahr und nicht zu vergleichen mit den Beiträgen von Köln oder Münster.

Woran liegt das?

Dreßen: Die Hauptaufgabe nach der GmbH-Gründung im Jahr 2005 war zunächst, uns wirtschaftlich zu stabilisieren. Als gemeinnützige GmbH dürfen wir ja keine großen Gewinne machen, müssen gleichzeitig aber unsere Kosten und Bauprojekte selber finanzieren, ohne in die Miesen zu geraten. Deshalb sind wir auch froh über die Spendenbereitschaft unserer Besucher, Zoofreunde und Förderer. Doch damit können wir nicht auch noch eigene wünschenswerte Naturschutzprojekte finanzieren. Eine Idee ist deshalb, auf freiwilliger Basis auch einen Artenschutz-Euro als Spende vom Besucher einzuführen – wie es erfolgreich die Zoos von Heidelberg, Dresden und Basel tun. Das ist aber noch nicht im Detail mit den Gesellschaftern und dem Aufsichtsrat diskutiert worden, steht aber an.

Wie kann der Krefelder Zoo den Artenschutz hier vor Ort vorantreiben?

Dreßen: Zum einen unterstützen wir den Schutz des Ameisenbläulings, eines heimischen Schmetterlings, am Niederrhein. Wichtig ist uns aber auch die Vielfalt im Biotop Zoo: wir haben zig Fledermaushöhlen, Vogelnistkästen, eine Wildbienenmauer, ein Insektenhotel und kleine Teichanlagen. Obwohl bei einigen Insektenkundlern die Honigbiene umstritten ist, haben wir mittlerweile drei Bienenvölker hier im Zoo. Unser Imker wird in den nächsten Wochen einen eigenen Bauwagen bekommen, um die Zoo-Imkerei fortsetzen zu können. Außerdem würden wir gerne mit den Entomologischen Verein Krefeld noch stärker zusammenarbeiten, der mit seinen Studien zum Insektensterben weltweit Beachtung gefunden hat. Der Zoo zählt etwa 500 000 Besucher pro Jahr, die man gemeinsam als Katalysator für solche wichtigen Themen nutzen sollte. Außerdem könnten Fördergelder für den Insektenschutz generiert werden.

Wegen der systemischen Erkrankung des Rotbuchen-Bestandes im Krefelder Zoo müssen die Bäume demnächst gefällt werden. Wird sich dadurch nicht auch hier Lebensraum für heimische Arten verändern?

Dreßen: Ja. Das Areal um das Vogelhaus wird sich durch die Fällung der Rotbuchen in den nächsten Jahren komplett verändern. Das ist aber auch eine Riesenchance, denn wir werden hier mehr botanische Vielfalt anlegen. Davon profitieren dann die Insekten- und Vogelwelt - und hoffentlich auch die Graureiher-Kolonie.

Welche Unterstützung wünschen Sie sich von der Stadt?

Dreßen: Der Kämmerer hat wegen der notwendigen Baumfällungen von sich aus dem Zoo ab 2019 für drei Jahre jeweils 30 000 Euro für die anstehenden Fällungen und Nachpflanzungen zugesagt. Das ist sehr hilfreich, aber es wird nicht ausreichen. Die Zoofreunde werben für Baumpatenschaften, mit denen wir die Neuaufforstung neben den städtischen Zuschüssen finanzieren können. Nur gemeinsam können wir die Vielfalt an heimischer und fremder Tier- und Pflanzenvielfalt im Zoo erhalten.