Die Flammen nahmen der Familie Kerzel alles

Der Brand in Gellep-Stratum vor einem Monat vernichtete auch das Wohnhaus des Ehepaars und seiner zwei Kinder. Sie stehen vor einem Neuanfang.

Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Es ist 4.45 Uhr. Lautes Poltern reißt Susanne und Alexander Kerzel aus dem Schlaf. „Feuer!“ Die Tür wird von der Nachbarin beinahe aus der Zarge gehauen, so lautstark macht sie die Bewohner auf die drohende Gefahr aufmerksam: Die benachbarte Zimmerei Söte brennt, meterhohe Flammen schlagen in den Nachthimmel.

Foto: Bischof, Andreas (abi)

Das Haus an der Dakerstraße in Gellep-Stratum, in dem das Ehepaar Kerzel mit den Töchtern Jil (4) und Vivien (7) wohnt, grenzt direkt an den Hallenkomplex, in dem auch eine Oldtimerwerkstatt beheimatet ist.

In ihren Schlafanzügen, nur eine Jacke übergeworfen und Schuhe angezogen, rennt die vierköpfige Familie ins Freie. Wenige Stunden später ist ihre gesamte Habe ein Raub der Flammen geworden.

Die Kerzels stehen vor dem Nichts. Der Beitrag für die Hausratversicherung war zwei Monate zuvor zurückgebucht worden — somit bestand kein Versicherungsschutz. Ein Tonstudio, die große Leidenschaft von Alexander Kerzel, wurde ebenfalls vernichtet. „Wir hatten nichts mehr“, sagt Susanne Kerzel und wischt sich eine Träne von der Wange.

Denn nicht nur der materielle Schaden ist enorm. Viele Erinnerungsstücke, deren Wert man nicht beziffern kann, sind am 6. März unwiderbringlich im Brandschutt verloren gegangen: „Die Milchzähne der Kinder etwa“, schildert die 40-Jährige. Sie war schockiert, als sie Tage nach dem Brand durch die Ruine ging, in der sie einmal lebte: Das Dach eingestürzt, Wände eingerissen. Den Kindern steckt der Schreck bis heute in den Knochen: Nachts träumen sie von dem Flammenmeer, das ihnen alles nahm.

Vier Wochen nach der Brandkatastrophe gibt es jetzt für die Kerzels einen Neuanfang. Nach vielen gescheiterten Versuchen können sie an diesem Wochenende eine Wohnung in Linn beziehen. Die vergangenen vier Wochen haben sie auf 15 Quadratmetern im Dachgeschoss der Familie Belles an der Carl-Sonnenschein-Straße gelebt.

Spontan hatte die befreundete Familie angeboten, dort übergangsweise einzuziehen. Auf Matratzen und im geordneten Chaos lebte die Familie Kerzel dort für vier Wochen. Ingrid Belles stellte in ihrem Stoffgeschäft an der Hafenstraße eine Sammeldose auf, rief zu Kleider- und Sachspenden auf — eine Welle der Hilfsbereitschaft rollte an.

„Unsere Freunde waren alle für uns da und haben uns sehr geholfen. Das war toll“, ist Alexander Kerzel dankbar. Der 37-Jährige hat einen Handwerker-Service, arbeitet zurzeit von morgens bis in den späten Abend, denn es fehlt vor allem an Geld. „Die Firma Brilux hat mich mit Arbeitskleidung und Materialien ausgestattet, damit ich weitermachen konnte — kostenlos“, ist der Krefelder begeistert.

Zum Glück blieb sein Wagen unversehrt, so dass der Selbständige sofort weitermachen konnte. Die gelernte Friseurin Susanne Kerzel sollte eigentlich am Tag des Brandes eine neue Arbeitsstelle antreten — zum Glück hatte die Chefin Verständnis und verschob den Start um einen Monat.

Dass es am Geld fehlt, spürte die vierköpfige Familie auch bei der Wohnungssuche. „Fast alle wollten drei Monatsmieten Kaution — das war uns einfach nicht möglich“, schildert Alexander Kerzel. Als Retter in der Not erwies sich dann die Wohnstätte: Sie stellte der Familie eine 67-Quadratmeter-Wohnung zur Verfügung, die der 37-Jährige gerade renoviert hat und in der nun der Einzug ansteht.

Und noch eine Firma unterstützte die überraschten Kerzels: Compo, vor eineinhalb Jahren selbst von einem Großbrand betroffen, überwies der Familie 500 Euro als Soforthilfe.

Wer ebenfalls seine Hilfe anbieten möchte, erreicht die Eheleute per E-Mail unter: alexx-k@gmx.de