Gesundheitstag Die Sprache der Medizin
Beim deutsch-türkischen Gesundheitstag geht es darum, Barrieren zu überwinden
Krefeld. Temiz Münir (57) hat Schlafstörungen und Probleme mit dem Herzen. Das war ihm Anlass, sich beim deutsch-türkischen Gesundheitstag in der Volkshochschule beraten zu lassen. Er besucht bei der fünften Auflage dieses Tages Vorträge der türkischen Spezialistinnen Dr. Acar und Dr. Bingöl. Nach den Vorträgen hat Münir, der als CNC-Dreher in einem Betrieb in Gellep-Stratum arbeitet und in Gatherhof wohnt, Gelegenheit, seine gesundheitlichen Probleme in vertraulichen Einzelgesprächen den Spezialistinnen zu schildern.
Zwar lebt Temiz Münir seit 1972, also mehr als vierzig Jahre, in Deutschland und spricht sehr gut Deutsch. Er konsultiere auch regelmäßig seinen Hausarzt, versichert er, aber: „Es ist etwas anderes, mit einem Arzt in seiner eigenen Muttersprache über so schwierige Fragen wie Krankheiten zu sprechen, als mit einem Mediziner in dessen Muttersprache.“
Gülay Köse, Krankenschwester im Helios-Klinikum, ergänzt: „Medizinische Themen kann man nicht immer in einer Eins-zu-Eins-Übersetzung besprechen. Durch die unterschiedlichen Sprachgebräuche und Redewendungen in der türkischen und der deutschen Sprache kann es da zu gravierenden Missverständnissen kommen. Ja, sogar zu Fehldiagnosen.“
Getragen wird die Veranstaltung von Beginn an von der Union der türkischen und islamischen Vereine. Deren Vorsitzender Mesut Akdeniz bedankt sich in seiner Begrüßung für die aktive Unterstützung durch die Volkshochschule sowie die beiden Kliniken Königshof und Helios.
Die kostenfreie Veranstaltung, die jeweils am ersten Dezember-Sonntag statfindet, soll dazu beitragen, dass Sprache kein Hindernis sein muss, um medizinische Sachverhalte zu verstehen und etwas für seine Gesundheit zu tun. Die acht Spezialisten, die den ganzen Sonntagnachmittag erläutern und beraten, tun dies alle ohne Honorare.
Güley Gülöz ist in ihrer Eigenschaft als Diplom-Psychologin zum vierten Mal in der Volkshochschule dabei. Schwerpunkt ist bei ihr Familienpsychologie. Ihre Eltern sind in den 70er-Jahren aus der Türkei ins Sauerland gekommen. Sie hat in Trier und Düsseldorf ihre psychotherapeutische Ausbildung absolviert und arbeitet seit 2011 in der Klinik Königshof. „Nein“, sagt sie, „die Menschen türkischer Herkunft haben keine besonderen Familienprobleme, aber sie haben sie, wie auch jede deutsche Familie.“
Sie hat ihren Schwerpunkt diesmal unter das Thema „Respekt oder Angst?“ gestellt. Sie behandle darin kulturübergreifende Erscheinungen, die mit Spannungen in der Ehe zu tun haben, mit familiären Anspannungen, Fragen der Erziehung von Kindern, aber auch mit dem Umgang mit Vorgesetzten oder Freunden.
Erstmals war auch Oberbürgermeister Frank Meyer als Gast dabei. Er erinnerte daran, welch ein äußerst prekäres Erlebnis es für jeden sei, im Urlaub in einem fremden Land zu erkranken, dessen Sprache man nicht spreche. Dies betreffe auch Menschen, die schon lange in diesem Lande lebten und sich einem Arzt anvertrauen müssten. Meyer nutzte die Gelegenheit, um sich bei der Union für die Veranstaltung zu bedanken und um weitere Unterstützung bei der Aufnahme von Flüchtlingen zu bitten.
Meyer: „Wir brauchen Sie in den nächsten Wochen und Monaten mehr als bisher. Sie haben die besten Erfahrungen mit der Integration. Sie sind darin erfahrene kulturelle Brückenbauer. Sie können mit dieser Authentizität Vertrauen schaffen, Sie wissen, wo man ansetzen kann. Es stehen uns in nächster Zeit noch riesige Anstrengungen bevor. Ich bitte Sie, dabei mitzuhelfen.“