Die Versuchung aus dem Netz

„Love Scamming“ nennt man es, wenn im Internet Liebesfallen ausgelegt werden. Die Autorin Ingrid Schmitz hat einen Roman darüber geschrieben.

Autorin Ingrid Schmitz

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Krefeld. Seit 2006 lässt Autorin Ingrid Schmitz ihre Figur Mia Magaloff ermitteln, doch in ihrem neuen Fall wird diesmal Magaloff selbst zum Opfer: „Liebeskiller“, der jüngste Kriminalroman der Traarin dreht sich um sogenannte Love Scammer, also Menschen, die sich in sozialen Netzwerken ihre Opfer suchen — und finden.

Aus eigenem Erleben ist Schmitz auf ihren Stoff gestoßen. „Ich wollte einfach wissen, was und wer dahinter steckt, als wildfremde Menschen mich im Internetforum plötzlich mit Formulierungen wie ,Hallo Sonnenschein’ anschrieben.“

Was Schmitz bei ihren Nachforschungen findet, verblüfft sie noch heute: Frauen auf Männerfang und Männer auf Frauenfang, die mit plumpen Komplimenten, oft in gebrochenem Deutsch oder Englisch, in sozialen Netzwerken kühl, ausgekocht und erfolgreich ihr Ziel verfolgen: Opfer zu finden und finanziell auszunehmen.

Der ersten Kontaktaufnahme folgen schnell und regelmäßig weitere nette Nachrichten, Identitäten und Fotos — echt, erfunden oder gestohlen — werden ausgetauscht, viele Gemeinsamkeiten gefunden. „Darin sind die Scammer gut“, erzählt Schmitz nach einem halben Jahr intensiver Recherche und persönlichen Gesprächen mit Opfern dieser Masche.

Der verständnisvolle neue Freund, der hilfsbedürftige junge Mann oder auch der wohlhabende Single machen sich online im Leben des Opfers breit, werden unverzichtbar. Was jeder Außenstehende sieht, entziehe sich der Wahrnehmung der Betroffenen. „Mit normalem Menschenverstand denkt man, die muss den Betrug doch merken“, sagt Schmitz kopfschüttelnd.

Das Unglück kommt mit Ankündigung: Geldforderungen, oft verknüpft mit dramatischen Familienereignissen (schwere Krankheit, Todesfall) oder tragischen Biographien, werden gestellt, die Opfer unter Druck gesetzt, am Ende womöglich massiv bedroht. „Es ist eine tragische Geschichte, die Menschen aller Altersklassen und Schichten treffen kann“, analysiert Ingrid Schmitz.

Warnungen aus dem realen Freundeskreis sorgen nach und nach eher für Verstimmungen, berichtet Schmitz aus ihren Gesprächen. Die Reaktion des Opfers: Widerspruch („Meiner ist ganz anders“) und der Abbruch des Kontakts. Schmitz’ Fazit: „Wer die Mails nicht sofort löscht, sondern darauf antwortet, ist schnell verloren.“

Ingrid Schmitz über das richtige Vorgehen gegen Internetbetrüger

Ein halbes Jahr hat die 59-Jährige recherchiert, ein halbes Jahr an ihrem Krimi geschrieben, mit dem sie zurzeit auf der Buchmesse in Frankfurt ist. Die Ermittlerin Mia Magaloff hat genregerecht natürlich Glück im Unglück, aber ihre Erfinderin Ingrid Schmitz lässt das Thema nicht los.

Auf der Facebook-Seite „Liebeskiller“ will sie Chats und Namen verdächtiger Scammer veröffentlichen. Es ist als Prävention gedacht. „Viele Opfer schämen sich sehr, wenn sie auf so einen Betrug reingefallen sind“, sagt Schmitz. Und eine Anzeige bei der Polizei mache wenig Sinn: „Sie haben ihr Geld ja mehr oder weniger freiwillig überwiesen.“