Ehrenamt: „Gilt unsere Arbeit nichts?“

Der Bund hat Steuervorteile beschlossen. Doch Betreuer wie der Krefelder Wilfried Meyerling gehen dabei leer aus.

Es gibt viele Wege ins Ehrenamt. Der von Wilfried Meyerling ist ein Produkt des Zufalls. "Ich war in der VHS und wurde von einem Besucher gefragt, wo der Vortrag über Betreuung stattfinde. Ich begleitete ihn in den zweiten Stock", erzählt der 64-Jährige. Und war damit schon mittendrin in seinem neuen Leben.

"Was ich schon alles gemacht habe, geht auf keine Kuhhaut mehr." Zuletzt jedenfalls hatte Meyerling als Maschinenbautechniker in der Stahlindustrie gearbeitet. "Jeden Tag nur Stahl und Stoffe. Ich fand es attraktiv, mich mit Menschen zu beschäftigen." Mit 55 ging er in Frührente. Die Füße hochzulegen kam nicht in Frage. "Ich bin so veranlagt: Alle paar Jahre brauche ich eine neue Herausforderung." Die fand der Krefelder vor sieben Jahren als ehrenamtlicher Mitarbeiter und gesetzlicher Betreuer bei der Diakonie.

Sein Schützling heißt Angelika Dannenberg, ist 46 Jahre alt und körperlich wie geistig behindert. "So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Ich hatte mich für die Betreuung eines älteren Menschen gemeldet, mit dem ich plaudern kann." Meyerling hat es trotzdem versucht und entdeckt: "Man wächst in seine Aufgaben hinein."

Viele, viele Stunden pro Monat hat er in Dannenberg "investiert". Er spricht mit ihren Ärzten, kümmert sich um Behördengänge, beantragt Blindengeld, erstritt für sie Schmerzensgeld, als sie sich im Krankenhaus wundgelegen hatte, verwaltet ihr kleines Vermögen. "Kurzum: Ich organisiere ihr Leben."

Sein Bekanntenkreis findet das "enorm gut", sagt Meyerling, beeilt sich aber hinzuzufügen: "Ich habe kein Helfersyndrom." Was ist es dann, das den Krefelder wie geschätzte 23 Millionen weitere Deutsche dazu bringt, freiwillig unbezahlte Arbeitsstunden für andere Menschen zu leisten? "Mir bringt es Genugtuung, etwas Sinnvolles zu tun."

"Ein Ehrenamt macht keiner des Geldes wegen", weiß Achim Lüdecke, der bei der Diakonie Krefeld zuständige Ansprechpartner für 80 Ehrenamtliche. "Ihnen sollte aber höhere Wertschätzung entgegen gebracht werden", kommentiert er den von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück angekündigten, gestern aber gekippten Steuerbonus.

Während die Übungsleiterpauschale steigt, gehen Bürger, die alte, kranke, behinderte Menschen unentgeltlich betreuen, leer aus. "Die Bundespolitik drückt sich davor, unsere Arbeit formal anzuerkennen. Das ist deprimierend", sagt Meyerling. Die offizielle Begründung:

"Wir würden nicht pädagogisch arbeiten. Aber was tue ich denn mit einer Mehrfachbehinderten?" Außerdem habe es geheißen, ehrenamtliche Betreuer seien nicht im Dienste des Vormundschaftsgerichts tätig. "Dabei unterliegen wir seiner Kontrolle, sind ihm Rechenschaft schuldig, müssen Lehrgänge besuchen. Ohne uns würde der Staat doch zusammenbrechen."

Amt: Ein Ehrenamt ist ein freiwilliges öffentliches Amt. Es gibt dafür kein Gehalt, oft aber eine Aufwandsentschädigung.

Freibetrag: Der Bundestag beschloss, die Übungsleiterpauschale von 1848 Euro auf 2100 Euro p.a. zu erhöhen. Der Steuerbonus für Bürger, die 20 Stunden im Monat ehrenamtlich arbeiten, wird dagegen gestrichen. Stattdessen gibt es die steuerfreie Aufwandspauschale.