Entgleister Güterzug: Schutzengel rettet Andrea Gansen
Beim Bahnunfall am Freitag verfehlten herabstürzende Betonbrocken die Radfahrerin.
Krefeld. „Die Bahn könnte mir ruhig eine Bahncard bis zum Lebensende schenken“, sagt Andrea Gansen. Die Kinderkrankenschwester, Stationsleiterin in der Helios-Klinik, hat am vergangenen Freitag den Schreck ihres Lebens erlebt. Sie war in der Unterführung Voltastraße, als ein Güterzug über das Gleisende hinausgeschoben wurde und schwere Betonteile in die Unterführung stürzten.
Gott sei Dank habe niemand die Stelle zum Unglückszeitpunkt gegen 7 Uhr morgens passiert, hatte die Polizei mitgeteilt. Doch das stimmt nicht ganz. Andrea Gansen ist mit ihrem Rad auf dem Weg zur Arbeit, als das Unglück geschah. Acht Minuten braucht sie von ihrer Wohnung an der Mariannenstraße bis zum Klinikum, und immer fährt sie durch diese Unterführung. „Die Route ist ungefährlicher als über die Kölner Straße“, sagt Gansen, und ist sich bewusst, wie das angesichts des Unglücks am Freitag klingt.
Sie habe zwar ungewöhnlichen Lärm wahrgenommen, sei aber trotzdem auf ihrem Rad unter den Brückenbau gefahren. In dem Moment habe sie gedacht „Was da oben ist, kann mich nicht stören“, erzählt Gansen. „Ich hatte es eilig, weil ich um 7 Uhr im Dienst sein musste.“ Dann sah sie Funken — und nahm als Nächstes wahr, dass sie auf dem Boden lag, neben ihr das Rad.
Benommen steht sie auf, nimmt ihr Fahrrad („Ich musste ja zur Arbeit“) und geht zurück Richtung Philadelphiastraße. Ein hilfsbereiter Lieferwagenfahrer gibt ihr einen Schluck Wasser, eine Polizistin zündet ihre Zigarette an.
Knapp einen Meter von ihrer Sturzstelle entfernt sind schwere Betonbrocken auf die Straße gefallen. „Ich habe unglaubliches Glück gehabt“, sagt Gansen. „Eine Sekunde später, und es wäre vorbei gewesen.“
Das kann sie erst langsam fassen: Nach dem ersten Schreck radelt sie zurück zu ihrer Wohnung. „Meine Kleidung war ja schmutzig, ich musste mich umziehen.“ Bei Nachbarn trinkt sie zur Beruhigung einen Kaffee — und beginnt gegen 8.30 Uhr verspätet, aber ansonsten unbeeindruckt, ihren Dienst. Eine Zerrung, Prellungen — körperlich habe sie keinen großen Schaden erlitten, sagt Gansen, und angesichts der Gefahr, der sie entkommen ist, „hat mich das nicht gestört“.
Dass ihr der Schreck tief in den Gliedern steckt, merkt Andrea Gansen am Sonntagabend. Die Unfallbilder kommen plötzlich zurück, als ein Zug die Kölner Straße quert, ausgerechnet als sie die Unterführung benutzt. Seitdem hat sie „trainiert“, ist sogar schon wieder über die Voltastraße zur Arbeit gefahren. „Es nutzt ja nichts“, sagt Gansen. „Durch eine Unterführung muss ich immer, wenn ich zur Arbeit will.“