Krefeld Flüchtlinge singen im Mädchenchor mit

Jawad und Basid fühlen sich beim Nachwuchs der St. Anna Gemeinde wohl.

Foto: Mark Mocnik

Krefeld. Norbert Jachtmann sitzt am Klavier. Vor ihm übt, wie mittwochs immer, der Jugendchor der St. Anna Pfarrgemeinde. Die Vorbereitungen auf das Gemeindefest sind in den letzten Zügen, schließlich soll an dem Tag alles passen. Gesungen wird alles — ob kirchlich oder modern, ob in Deutsch, Englisch, Italienisch oder Spanisch. Ursprünglich bestand die Gruppe nur aus Mädchen. Doch seit rund zwei Monaten ist der Chor noch einmal ein Stück vielfältiger und internationaler geworden. Wöchentlich unterstützen vier bis fünf Flüchtlinge — auch männliche — aus der benachbarten Wohngruppe die Mädchen. Und allen bereitet das großen Spaß.

Was zu Beginn eine seltene Ausnahme war, ist mittlerweile schon zur Normalität geworden. Jede Woche kommen mal mehr, mal weniger jugendliche Neukrefelder vorbei und versuchen, so gut es geht, mitzusingen. Besonders oft sind Basid und Jawad da. Die beiden Afghanen sind seit einem halben Jahr in Krefeld, für sie bietet der Chor ein Stück Beständigkeit im sonst so chaotischen Alltag.

Für die kurze Zeit, die er in Deutschland ist, spricht Basid schon sehr gut Deutsch. Er geht zu Sprachkursen und versucht auch sonst in seiner Freizeit alles, um sich besser an seine neue Umgebung zu gewöhnen. Ein wichtiger Teil ist schon sein ganzes Leben lang die Musik, wie der 17-Jährige verrät: „Ich mag Musik sehr und wollte schon immer singen. Es ist nicht immer einfach draußen, viele mögen uns nicht. Hier haben aber alle Respekt vor uns, wir fühlen uns wirklich wohl.“ Sein Freund Jawad ergänzt: „Wir können hier viele neue Leute kennenlernen. Das hilft uns.“

Bei einem Messdiener-Treffen besuchten die Flüchtlinge zum ersten Mal die Gemeinde. Als Basid anmerkte, dass er selber auch gerne singe, wurde die Idee schnell konkret. Initiiert wurde das Ganze aber nicht etwa von Jachtmann selbst, sondern von den Mädchen aus dem Jugendchor. Als eines Tages auch männliche Teilnehmer vor ihm standen, war der Chorleiter ganz überrascht. Jachtmann sagt: „Ich wusste von all dem gar nichts. Da war ich ziemlich verwundert. Dann habe ich mir aber schnell überlegt, wie ich sie am besten einbinden kann.“

Doch wenn ein Chor zwei Jahre lang nur aus Mädchen besteht, ist die plötzliche Umstellung gar nicht mal so einfach. Doch Norbert Jachtmann leitet auch den Erwachsenenchor, hat genug Erfahrung, um mit der Situation umzugehen.

Und dennoch kam auch Jachtmann am Anfang etwas ins Grübeln. „Für mich war es schon ungewohnt. Es ist schwierig, eine gute Balance zu finden. Einerseits sollen die Mädchen weiter gefördert werden, auf der anderen Seite sollen die Jungs auch mitsingen können.“ Die Liederauswahl wurde ein wenig geändert, alles wurde ein bisschen einfacher. Englischsprachige Lieder rückten mehr in den Fokus. „Es fällt einem erst dann auf, wie viel eigentlich gemeinsam gesungen werden kann. Ich war überrascht, wie gut es funktioniert hat“, sagt Jachtmann.

Der erste große gemeinsame Höhepunkt folgte dann beim Gemeindefest. Im Hof der St. Anna Pfarrgemeinde sang der Mädchenchor mit Basid und Jawad das eingeübte Programm, auch wurden spontan neue Lieder angestimmt.

Mädchen und Jungs zusammen beim Fest — damit hätte Norbert Jachtmann vor drei Monaten wohl noch nicht gerechnet. Doch auch er weiß, dass es nicht darauf kommt, welches Geschlecht oder welche Religion im Chor vertreten sind. Musik verbindet, sagt Jachtmann. „Der Auftritt war ein voller Erfolg.“