Inklusion 2 Viele Krefelder Gymnasien hadern mit der Inklusion

Krefeld · Gymnasien können nun entscheiden, ob sie gemeinsamen Unterricht von Regelschülern und lernbehinderten Kindern anbieten. Das Hannah-Arendt-Gymnasium möchte trotz Problemen weitermachen.

Schon im Vorjahr berichtete die WZ über Probleme mit der Inklusion an Krefelder Schulen. Unser Archivbild zeigt Sonderpädagogin Anja Rohde am Gymnasium am Stadtpark in Uerdingen. 

Foto: Bischof, Andreas (abi)

Hans-Jörg Richter, der Leiter des Hannah-Arendt-Gymnasiums, gibt sich optimistisch. Seine Schule habe mit der Inklusion seit dem Jahr 2012 so gute Erfahrungen gemacht, dass es diese auch im kommenden Schuljahr geben soll.

Wer sich mit der Schulpolitik in Nordrhein-Westfalen befasst, weiß: Dieses Bekenntnis kommt einer Sensation gleich. Zum kommenden Schuljahr will die Mehrheit der Gymnasien Regelschüler nicht länger gemeinsam mit lernbehinderten Kindern unterrichten. Grund ist eine neue Regelung in der Landespolitik.

Die mittlerweile abgewählte Koalition aus SPD und Grünen forcierte den gemeinsamen Unterricht noch. Seit dem Schuljahr 2014/15 bestand ein Rechtsanspruch für Eltern behinderter oder verhaltensauffälliger Kinder, diese an einer Regelschule und nicht mehr ausschließlich an Förderschulen anzumelden. Die neue Regierung aus CDU und FDP kehrt die Entwicklung zum kommenden Schuljahr um. Mit Inklusion am Gymnasium soll weitgehend Schluss sein. Das heißt: Nur Kinder mit Handicap, die eine Chance auf das Abitur haben, sollen dort mitunterrichtet werden. Alles, was darüber hinausgeht, können Schulleiter freiwillig anbieten.

Gymnasium am Stadtpark: Inklusion wurde zur Belastung

Schwerpunktschule nennt Leiter Richter das. So eine Schule soll das Hannah-Arendt-Gymnasium ab Sommer sein. „Wir sind das einzige Gymnasium im Regierungsbezirk Düsseldorf, das sich dazu entschieden hat“, sagt Richter. Etwa 40 Schüler mit Förderbedarf erwartet er im nächsten Schuljahr. Diesen Schritt habe man intensiv diskutiert. Schließlich sind die Herausforderungen durch die Inklusion auch an Richters Schule enorm. Er spricht von sehr ungünstigen Rahmenbedingungen und meint etwa die dünne Personaldecke.

Vielen Schulen fehlen Sonderpädagogen, die zusätzlich zu den Lehrern in die Klasse kommen und sich um die Schüler mit speziellem Förderbedarf kümmern. Sein Gymnasium sei mit 2,5 Stellen noch recht gut versorgt, sagt Richter. Trotz dieser Problematik überwiegen aus seiner Sicht die Vorteile. Das gemeinsame Lernen und begleitende Projekte täten der Sozialkompetenz aller Schülerinnen und Schüler gut. Darüber hinaus kann Richter Erfolge seines Lehrpersonals vorweisen: „Zum Teil ist es gelungen, so gut zu fördern, dass die Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf einen Hauptschulabschluss machen können.“ Richter hofft in Zukunft auf weitere positive Erfahrungen - und mehr Unterstützung des Landes. Ihm sei versprochen worden, dass sich die Ausstattung für die Förderung mit der Umstellung deutlich verbessere.

Richters Euphorie beim Thema Inklusion ist ein seltenes Phänomen in der Krefelder Schullandschaft. Die meisten Rektoren blocken Anfragen zum Thema ab: Ihre Schulen hätten auch bislang nicht inklusiv gearbeitet. Das Maria-Sibylla-Merian Gymnasium ist vom Schulamt zwar als „Gymnasiums des Gemeinsamen Lernens“ ausgewiesen, doch Schulleiter Olaf Muti will zu aktuellen Entwicklungen lieber schweigen: „An einer öffentlichen Kommentierung der Thematik möchte ich mich aktuell nicht beteiligen.“ Nur so viel: Auch für die Zukunft stellt er gemeinsames Lernen in Aussicht.

Anja Rinnen, Leiterin des Gymnasiums am Stadtpark, unterrichtet mit ihrem Kollegium seit dem Schuljahr 2015/16 ebenfalls Inklusionsklassen. Ihre Bilanz klingt enttäuscht. Die Rektorin kritisiert den Personalmangel: „Eine Sonderpädagogin sollte fünf Klassen gleichzeitig betreuen. Wie soll das gehen?“ Die Schulkonferenz hat entschieden, dass das Gymnasium am Stadtpark keine Schwerpunkteinrichtung werden soll. Nur Kinder mit zielgleichem Förderbedarf sollen kommen. Das ist eine Entlastung für Rinnens Kollegen, befürchtete sie andernfalls doch einen „Verschleiß unserer Leute“.

Dabei begann vor vier Jahren alles so erfreulich. „In den ersten beiden Jahren haben wir gute Erfahrungen mit der Inklusion gemacht“, sagt Rinnen. Sie erinnert sich an genug Mitarbeiter, engagierte Teamarbeit und eine gute Entwicklung des sozialen Miteinanders in den Klassen.

Doch dann kamen immer mehr Schüler mit immer komplexeren Problemen. Sie benötigten nicht nur besondere Hilfe beim Lernen, sondern auch ausgeprägte emotionale Unterstützung, so Rinnen. Nur das Personal sei nicht entsprechend aufgestockt worden.

Zu den neuen Schwerpunktschulen äußert sie sich knapp. Die könnten sicherlich einen wertvollen Beitrag zur Integration leisten, „der eigentliche Gedanke der Inklusion wird damit aber nicht umgesetzt.“ Dass lernbehinderte Kinder am regulären Unterricht der Gymnasien teilnehmen, wird eben wieder die Ausnahme werden.