Gemobbt werden die Anderen
Jessica Richardt unterstützt Kinder an der Marienschule, die von Mitschülern unter Druck gesetzt werden.
Krefeld. Mobbing am Arbeitsplatz, Mobbing in der Schule, Mobbing im Internet: Das Thema ist allgegenwärtig und doch will keiner betroffen sein. Denn wer gemobbt wird, gehört nicht dazu und wer zulässt, dass in den eigenen Reihen gemobbt wird, kümmert sich nicht genug um Schüler oder Angestellte. „Dabei bekommt man es oftmals gar nicht mit, wenn jemand gemobbt wird“, weiß Jessica Richardt.
Die Sozialpädagogin ist neben ihrer Arbeit beim Kinderschutzbund auch Schulsozialpädagogin an der Marienschule. „Diese Kooperation hat sich so ergeben, weil die Marienschule zu uns kam und um Unterstützung gebeten hat“, sagt Richardt.
Ein mutiger Schritt, denn wer zugibt, dass das Tabuthema Mobbing an der eigenen Schule existiert, könnte schnell besorgte Eltern auf den Plan rufen. „Dabei gibt es kaum eine Schule, an der es keine Probleme gibt. Außerdem ist es wichtig, darauf zu achten, ob es sich tatsächlich um Mobbing handelt oder um einen einfachen Konflikt. Gerade jüngere Schüler können da noch nicht so unterscheiden“, sagt Richardt. Oft bestünde einfach eine Meinungsverschiedenheit, die man durch ein Gespräch aus der Welt schaffen könne.
Wird aber doch mal ein Schüler gemobbt, käme es darauf an, in welchem Alter die Betroffenen sind. „Bei den Kleinen kann man spielerisch herangehen und Vereinbarungen ausmachen, die man zum Beispiel auf Plakate schreibt und aufhängt“, erzählt die 29-Jährige.
Es sei wichtig, ein Bewusstsein zu schaffen und die Kinder anders in die Verantwortung zu nehmen. „Wer selbst mitarbeitet, nimmt die Thematik anders wahr.“
Bei Kindern in höheren Klassen würden Projekte dieser Art eher nicht ankommen. Richardt: „Das sind ganz andere Voraussetzungen. Schüler in der Mittelstufe setzen sich mit sich selber auseinander und sind unzufrieden, sie befinden sich oft in einer Findungsphase. Die machen dann bei solchen Projekten nicht mit.“
In diesem Alter würde dann auch vermehrt Mobbing im Internet stattfinden. „Gerade über Facebook ist es so einfach, jemand zu beschimpfen und fertig zu machen. Da gehen einem Sprüche leichter von der Hand als von Angesicht zu Angesicht“, berichtet die Fachfrau.
Dabei wüssten viele gar nicht, was sie da anrichten, „denn was einmal im Netz steht, ist kaum mehr zu löschen.“
Dass das Mobbing zugenommen hätte, seit die meisten Schüler das Internet und somit auch soziale Netzwerke nutzen, kann Jessica Richardt nicht bestätigen: „Es gibt auf jeden Fall mehr Angriffsfläche, aber nicht mehr Fälle. Früher beschränkte sich das Mobben auf den Schulhof und den Weg nach Hause, heute greift die Belästigung ja durch die sozialen Netzwerke auch auf das Privatleben über“, sagt sie.
Ein wichtiger Aufgabenbereich sei daher die Aufklärung: „Vor allem in den fünften und sechsten Klassen ist es sinnvoll, präventiv etwas zu machen. Zum Beispiel zum Thema Grenzen: Was bedeuten Grenzen oder wo können Grenzüberschreitungen stattfinden? Oder wie schütze ich mich, was veröffentliche ich im Internet und vor allem: Wer kann sehen, was ich veröffentliche? Wenn ich ein Bikini-Foto hochlade, liegt es nah, dass sich andere daran stören oder neidisch sind und darauf reagieren.“ Deshalb sei es wichtig, die Einstellungen zur Privatsphäre zu beachten.
Generell komme es darauf an, ein Bewusstsein für das Problem zu schaffen: Die Leute sollen hinschauen, sich einmischen. Es helfe auch, die Klassengemeinschaft zu stärken und gemeinsame Projekte zu unternehmen, bei denen sich die Schüler aufeinander verlassen müssen.