Der umstrittene Künstler Zangs: Die Entthronung eines Krefelder Originals

Eine kritische Analyse beschäftigt sich mit den Werken des Künstlers. Auch Details seiner Biografie sind neu bewertet worden.

 Herbert Zangs (r.) neben Adolf Luther (M.) und Dieter Mahlow in den 1970er Jahren.

Herbert Zangs (r.) neben Adolf Luther (M.) und Dieter Mahlow in den 1970er Jahren.

Foto: Archiv Adolf-Luther-Stiftung, Krefeld/Angelika Platen

Herbert Zangs (1924 – 2003) ist ein Krefelder Junge. Hier wurde er geboren, erhielt den Kunstpreis und die Stadtehrenplakette, und hier ist er gestorben. Er galt als chaotisches Genie des Lebens wie der Kunst. Er war nie auf Rosen gebettet, aber er verstand es, auch mit Dornen fertig zu werden. Heute haben sich Kunsthistoriker seiner angenommen, und da bleibt nicht viel Glanz von ihm übrig.

Nachtportier im Altstadtlokal Cziskós mit Günter Grass

Beginnen wir von vorn. Den Zweiten Weltkrieg verbrachte er an der Eismeerfront in Norwegen, wo er abgeschossen wurde. Zurück in Krefeld wollte er Maler werden. Der kommissarische Direktor Ewald Mataré an der Düsseldorfer Kunstakademie winkte ab, aber sein Nachfolger Werner Heuser ließ ihn studieren. Er landete bei Otto Pankok und diente zusammen mit Günter Grass als Nachtportier im Altstadtlokal Csikós in Düsseldorf, Zangs vorrangig am Wochenende, denn das brachte mehr Trinkgeld ein. Grass verewigte seinen Kommilitonen als Herbert Lankes in der „Blechtrommel“.

Es war die Zeit der Trippelbrüder, und Zangs kam meist per Anhalter quer durch Europa bis nach Nordafrika. Es entstanden figurative Reisebilder, aber zugleich Collagen und Basteleien, indem er Fundstücke aus dem Hochwasser am Rhein, abgeschliffenes und ausgelaugtes Strandgut, sammelte und überstrich. Über irgendwelche Beziehungen erhielt er eine ganze Containerladung mit 30 Pötten je 25 Kilogramm weißer Farbe auf Karparol-Basis und legte los. Eistüten, die er in den 1970er Jahren bei Palatini erstanden hatte, bestrich er mit Weiß und drückte sie in einen hölzernen Kasten, denn das Weiß färbte nicht nur die Tüten, sondern es diente auch als Kleber. Ein brutaler Charme lag über dem Ganzen.

Instinktsicher und kreativ, aber auch begierig zu verkaufen

Mit einem Augenzwinkern quittierte man bislang den Schelm. Doch jetzt wird es ernst. Die Akteurin in der kritischen Blütenlese ist Susannah Cremer-Bermbach, Tochter des Krefelder Restaurators und späteren Professors an der Kunstakademie Düsseldorf, Siegfried Cremer. Sie untersucht und datiert mit scharfem Blick die Kunstproduktion von Zangs. Sie wie der Krefelder Galerist Ralph Kleinsimlinghaus sprechen Zangs eine korrekte Datierung der Werke ab. Auch manche Details in seiner Biografie erscheinen nun nicht mehr in einem ganz so hellen Licht. Cremer-Bermbach rollt alles auf, nennt es die  „Neubewertung“ seines Gesamtwerks und seiner Avantgardekunst der 1950er und 1960er Jahre.

Zunächst lobt sie seine Instinktsicherheit, seine rasche visuelle Auffassungsgabe und sein „Übermaß an kreativer Potenz“. Doch zum spielerischen Hantieren und Experimentieren kam in ihren Augen auch seine Sprunghaftigkeit hinzu, mit der er Dinge abkupferte, die andere geschaffen hatten, etwa Yves Kleins Blau, Jean Fautriers Strukturbilder, die Arbeiten von ZERO, Beuys, Neo Dada etc. Der Krefelder Museumschef Paul Wember zeigte Sackleinenbilder von Alberto Burri, und flugs war auch Zangs davon angetan und schuf sie.

Zangs wollte mithalten mit dem, was auf dem Markt gefragt war

Ein Ideenklau also.  Zangs wollte mithalten mit dem, was auf dem Kunstmarkt angesagt war, denn nur das ließ sich gut verkaufen. Cremer-Bermbach belegt dies in unzähligen Beispielen, wie er sich bei anderen bediente, um dem Kunstmarkt zu dienen. So machte er nicht nur weiße, sondern auch schwarze, nicht nur abstrakte, sondern auch surreale Werke und reihte sich gar mit Lichtmobilés in Ausstellungen ein. Nach dem Motto, dass nur derjenige glänzt, der sich als Pionier darstellen kann.

Sie macht die Unstimmigkeiten etwa an einem Kellerraum einer Krefelder Schule fest, den Zangs auf Vermittlung von Paul Wember zur Verfügung gestellt bekam. 1972 wurde das Depot „wiederentdeckt“, gesichtet, geborgen und aufgearbeitet. Und dabei stellten sich aus heutiger Sicht die scheinbar wiederentdeckten Verweißungen als „reine Lügengeschichte“ dar.  Vater Siegfried Cremer, der nicht nur restaurierte, sondern auch sammelte, war begeistert. Der Sammler Hans Joachim Etzold aber roch Lunte und untersuchte eine der früh datierten Arbeiten, die er 1972 erworben hatte, genauer. Dabei entdeckte er auf dem verwendeten Zeitungspapier Teile eines aktuellen Börsenberichts. Damit kamen erstmals generelle Zweifel zur Datierung auf. Cremer-Bermbach nennt es eine „geradezu fixe Idee“, bei Neuerungen als Erster in der Kunstgeschichte dazustehen. Die „Verweißungen“ jedenfalls entspringen nicht den 1950er Jahren, sondern den 1960er und frühen 1970er Jahren. Alles andere seien eulenspiegeleske Qualitäten im Umgang des Künstlers mit Datierungen.

Kleinsimlinghaus verkauft Werke von Zangs ohne Datierung

In diese Diskussion kommt eine Offerte des Galeristen Ralph Kleinsimlinghaus, der über seine Kunsthandelsfirma „Artax“ ein dreiteiliges Gemälde mit Collagenelementen von Zangs anbietet. Die Arbeit war ein Auftrag für die Krefelder Firma Carl Halfmann Büro- und Zeichenbedarf, in deren Erweiterungsräumen an der Inrather Straße 11-17 die Arbeit 1971 fest installiert wurde. Auf einem Foto wird Zangs vor einem Bildausschnitt festgehalten. Nach Auflösung der Firma gelangte das Werk in eine westfälische Sammlung. Artax bietet es nun an. Aber nach der Lektüre der Ausführungen von Cremer-Bermbach teilt Kleinsimlinghaus mit, er verkaufe ab sofort alle Kunstwerke von Zangs zwar als echte Werke des Künstlers, übernehme aber keine Datierung. Er gehe davon aus, „dass die meisten Werke, die vom Künstler mit 1950er-Jahre-Datierungen versehen worden waren, aus den 1970er Jahren stammen“.

Zangs starb 2003, an beiden Beinen amputiert, in einem Altenheim in Krefeld.

Info: Susannah Cremer-Bermbach, Herbert Zangs - Infiltrationen. Zur Bedeutung der Farben Schwarz und Weiß - eine Revision, in: Magdalena Broska (Hrsg.) Paris - Krefeld II.  Jedem Künstler seine Farbe. Ein Forschungsprojekt der Adolf-Luther-Stiftung, Krefeld Pagina Verlag,  Goch 2018