Club-Szene Homo oder Hetero: Im Jogis ist seit 33 Jahren Party

Krefeld. · Ein Schwulen- und Lesbenclub ist die Disco in der City längst nicht mehr. Manfred Borgs (80) erinnert sich an wilde Nächte.

Normalerweise steht Inhaber Manfred Borgs hinter der Theke von Jogis Club-Disco – auch mit fast 80 noch.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Der Rauch ist tief in die Ritzen der dunkelroten Kunstledersitzbänke eingezogen, der Boden hinter der Theke klebt bei jedem Schritt. Selbst mit geschlossenen Augen sind die Partys mit allen verbleibenden Sinnen spürbar, die hier gefeiert wurden. Wer hinschaut, dem strahlt Marilyn Monroe im Schwarzlicht von der Wand entgegen; ein anderes Bild zeigt eine unbekannte Frau mit blonden Haaren, dunklem Lippenstift und Hut, die ihre Arme lasziv in die Hüften stützt. „Das ist mein Michael“, erzählt Manfred Borgs. Die „Gräfin von Krefeld“ nennt er seinen Ehepartner mit gewissem Stolz, „den guckt man mit seinen langen, blonden Haaren immer an“. Ein Schwulen- und Lesben-Treff ist Jogis Club-Disco in der Innenstadt schon seit den 1990er-Jahren nicht mehr, aber Club-Chef Manfred Borgs erinnert sich gerne an die alten Zeiten.

Damals, als die Männer zu den Kostümfesten an Karneval in Damenkleidern kamen, „man, waren das wilde Partys, hier war immer die Hölle los“. Bald 33 Jahre ist es her, dass Borgs im September 1986 Jogis Club-Disco eröffnet und aus einem Puff – „schreiben Sie lieber Freudenhaus“ – mit Sauna im Erdgeschoss und Vergnügungsräumen im Obergeschoss eine Disco macht. „Die Stadt hatte das private Bordell geschlossen, das Ladenlokal war in der Zeitung inseriert. Und in Krefeld fehlte ein guter Homo-Club“, erinnert sich Borgs.

Jogis Club-Disco hat Meilenstein und Königsburg überlebt

Heute ist das Jogis Krefelds ältester Club. Homo-Discos wie das Schwänchen, später House of Lords, Trapez und Palette sind heute Geschichte. „Wir haben sogar das Meilenstein und die Königsburg überlebt. Krefeld ist eben ein Dorf mit Straßenbahn, hier gibt es für die großen Clubs kein Publikum. Bei uns ist es viel privater.“

Gerade einmal 100 Besucher finden im Jogis Platz – viele von ihnen sind Stammgäste, wie Borgs betont. Harry zum Beispiel, „das ist mit 75 mein ältester Gast“, oder Markus, der schon kam, als das Jogis noch „richtig schwul“ war. „Der besteht auch darauf, mit mir abends ein paar Gläschen zu trinken und sich zu unterhalten.“ Bis heute steht Manfred Borgs noch Freitag- und Samstagsabends und vor Feiertagen selbst hinter der Theke – bis morgens um sechs, in diesem Jahr wird er 80. „Ich bin fit wie ein Turnschuh“, sagt er, und: „Hier ist Leben drin. Die Leute tanzen, trinken, unterhalten sich. Was soll ich da Zuhause? Wer rastet, der rostet.“

Manfred Borgs ist alles andere als eingerostet. Für seinen Hausmeister-Service, der im Nachbarhaus des Jogis seine Büroräume hat, ist er täglich in der Stadt unterwegs. In Lederjacke, die Haare färbt er sich Schwarz. Auf seinen Mittagsschlaf am Freitag besteht Borgs aber, um fit zu sein fürs Wochenende. Um kurz vor zehn schließt er den Laden für die Mitarbeiter auf, Borgs Schicht beginnt gegen eins. Daraus, dass der Job härter geworden sei, macht der Club-Besitzer kein Geheimnis: „Als der Laden vor 25 Jahren ,normal’ wurde, weil auch die Party-Szene liberaler wurde und das homosexuelle Publikum auch anderswo feiern ging, da kamen auch Leute rein, die Schlägereien angezettelt haben.“ Eine Erklärung hat er dafür auch gefunden: „Wo Frauen und Männer verkehren, wollen die Männer halt die Frauen anmachen. Das gibt dann schon mal Palaver.“

Wilde Feiern und besorgte Eltern, die um Rat fragen

Früher sei das anders gewesen. „Das war ’ne tollte Zeit“, schwärmt Borgs, „das Jogis war richtig schwul, die Männer, die hier verkehrten, das waren alles Mädchen. Schlägereien gab’s nur in der Palette, das war der Lesben-Laden damals.“ Er erinnert sich aber auch an besorgte Eltern, die mit ihren schwulen Söhnen ins Jogis kamen, und um Borgs’ Rat fragten. „Lassen Sie ihren Sohn sein und leben, wie er will“, sei immer seine Antwort gewesen, erzählt der 80-Jährige.

Dabei ist das für ihn selbst nicht immer so leicht gewesen. In den 1960er-Jahren, mit Mitte 20, ist Manfred Borgs in einer Beziehung mit einer Frau, sogar verlobt. Seine Homosexualität will er nicht wahrhaben, seiner Mutter erzählt er bis zu ihrem Tod nichts davon. „Als meine Mutter starb, konnte ich leben, wie ich wollte.“ 1969 lernt er seinen zehn Jahre jüngeren Freund Michael kennen, seit 50 Jahren sind die beiden ein Paar, vor fünf Jahren haben sie geheiratet – „auch für den Fall, dass ich mal den Löffel abgebe, dann ist er abgesichert“, da ist Borgs pragmatisch.

Das Licht in Jogis Disco-Club will der 80-Jährige selbst ausmachen, wenn es eines Tages so weit ist: „Wahrscheinlich falle ich mal hinter der Theke tot um.“