Immer mehr psychisch Kranke in Krefeld
Obwohl es in Krefeld 90 Therapeuten gibt, muss auf die ambulante Behandlung zwei bis zwölf Monate gewartet werden. So entsteht zusätzlicher Druck.
Krefeld. In Deutschland muss man im Durchschnitt zweieinhalb Monate auf einen Therapieplatz bei einem Psychotherapeuten warten. Das ergab jüngst eine Studie der Universität Duisburg und der Deutschen Psychotherapeuten Vereinigung (DPtV).
Auch in Krefeld stellt sich die Situation nicht anders dar, sagt Verhaltenstherapeut Martin Zange. „Ich habe einige meiner Krefelder Kollegen befragt, die Angaben sind unterschiedlich. Die Wartezeiten liegen aber zwischen zwei Monaten und einem Jahr“, sagt Zange.
Klar ist, wer eine Psychotherapie braucht, der muss warten. „Aktuell gibt es ein zu geringes Angebot im Bereich der ambulanten Psychotherapie. Für die Patienten heißt das, dass sie in sehr problematischen psychischen Situationen erhebliche Frustrationen bei der Suche nach einem Therapieplatz auf sich nehmen müssen“, sagt der Diplom-Psychologe Zange.
Warum die Wartezeiten so lang sind, hat verschiedene Gründe. Zum einen ist in den vergangenen Jahren das Bewusstsein für psychische Erkrankungen gewachsen. „Den Menschen ist heute bewusster, dass sie eine Krankheit haben, die behandelt werden kann“, sagt Zange. Zudem sei der gesellschaftliche Druck in den vergangenen Jahren gestiegen. „Es brechen viele Sicherheiten weg, das belastet psychisch.“
Ein zeitnaher Behandlungsbeginn wäre für die meisten Patienten angemessen und ist bei der aktuellen Situation meist nicht realisierbar, sagt Zange. „Auf den Anstieg der psychischen Erkrankungen wird in der Bedarfsplanung nicht reagiert“, kritisiert der Diplom-Psychologe. Denn nicht jeder ausgebildete Psychotherapeut kann sich mit einer Praxis dort niederlassen, wo er möchte, sondern muss von der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung zugelassen werden.
Während in Großstädten wie etwa Krefeld, Düsseldorf oder Mönchengladbach für 2577 Einwohner ein Psychotherapeut in der Planung vorgesehen ist, gibt es auch Regionen, wo auf 23 106 Einwohner nur einer kommt. Anhand dieser Rechnung ergibt sich für Krefeld mit rund 90 Psychotherapeuten eine Überversorgung. Das heißt, dass trotz der langen Wartezeiten, keine weiteren Psychotherapeuten zugelassen werden.
„Es ist notwendig, im Rahmen der künftigen Gesetzgebung das Angebot an ambulanter Psychotherapie durch Zuwachs an Behandlern zu verbessern“, sagt Zange, der auch im Vorstand der DPtV Nordrhein ist.
Weitere Möglichkeiten zur Verbesserungen der Situation wären für ihn etwa ein Ausbau der Krisenintervention, die Erleichterung bei der Durchführung von Gruppentherapien oder die Verbesserung von Job-Sharing-Möglichkeiten, damit das maximale Praxisbudget ausgelastet werden kann. Zange: „Auch wäre eine Verstärkung präventiver Maßnahmen im Bereich psychischer Störungen sinnvoll.“
„Trotz der schwierigen Situation in Krefeld ist die Versorgung vergleichsweise gut aufgestellt. Es gibt gute Anlaufstellen.“ In der akuten Krise helfen etwa die Krefelder Krisenhilfe (Tel. 02151/ 6 53 52 53) oder die Telefonseelsorge (Telefon 0800/1 11 01 11) weiter.
Die verschiedensten Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen seien für Hilfesuchende eine gute Möglichkeit, die Zeit bis zum Beginn einer Psychotherapie zu überbrücken. Zange: „Auch gibt es in Krefeld zwei psychiatrische Kliniken, an die sich Patienten bei psychischen Erkrankungen, die eine intensivere bzw. stationäre Behandlung erfordern, wenden können.“
Zange rät Patienten außerdem, sich auf mehrere Wartelisten setzen zu lassen, um den frühest möglichen Termin zu bekommen. „Die sehr unterschiedlichen Wartezeiten zeigen, dass es durchaus lohnenswert sein kann, es bei mehreren Behandlern zu versuchen, wenn man nicht aus speziellen Gründen nur zu einem bestimmten Behandler möchte.“